Ich war hingerissen. Das leuchtende Kistli an der Thunstrasse war für mich, den Bauzeichnerstift, wie Phosphor im Hirn. Klarer, konsequenter, intelligenter, kompromissloser konnte Architektur nicht sein. Gemeint ist ein kleines Bürogebäude, zweistöckig, symmetrisch, ein leuchtendes Metall- und Glastruckli, die gebaute Vollkommenheit.  Bern staunte. 1963 war der Architekt Frank Geiser, 28-jährig, «mit einem Schlag in die Riege der anerkannten Architekten vorgestossen» schreibt Konrad Tobler, der nun mehr als 50 Jahre später, Geisers Lebenswerk in einem 200-seitigen Buch zusammenfasst. Das Buch ist quadratisch. Das Buch ist schwarz-weiss. Das Quadrat verweist auf das Raster, schwarz-weiss auf das Selbstgewisse. Das Raster ist ein Planungsinstrument, genauer, ein Denkmuster. Geiser hat in allen seinen Entwürfen damit gedacht. Architektur machen, heisst Ordnung schaffen. Das Raster sorgt dafür. Ordnung heisst: Handle nach objektiven Regeln, dann findest du die Wahrheit. Sie ist nie willkürlich, nie verspielt, nie zufällig, immer nachvollziehbar. Wahr ist, was vollkommen ist, das widerspruchsfreie Ganze. Das Raster ist das Skelett des Systems. Bauen heisst, Elemente definieren und sie intelligent zusammen fügen. Das System verlangt die Konsequenz. Alles hängt mit allem zusammen. Wer systematisch entwirft, spielt nicht, er entwickelt.Das Vollkommene erklärt sich selbst. Es ruht. Tut nichts. Steht da. Ist vollendet. Braucht nichts. Ist selbstgewiss. Wer die Schwarzweissbilder betrachtet, wird von einem leisen Schaudern angeweht. Die stille Gewalt der Perfektion macht leise Angst. Kein Mensch ist auf diesen Bildern, der störte nur. Menschen sind immer ordnungswidrig. Wenn Architektur gefrorene Musik ist, dann ist’s bei Geiser gefrorene Minimal Music, schrittweise Variationen mit denselben Materialien: Glas, Metall, Licht, Transparenz. Selten war ein Architekt so beharrlich...