Für die Monografie hat die polnische Architektin und Fotografin Ewa Wolanska Bernoullis Bauten als Diptychen und Triptychen fotografiert: Steinbockbrunnen, Frankfurt an der Oder, 1911/12. Fotos: Ewa Wolanska

«Don’t jugde this book by its cover!»

Bernoullis städtebauliche Ideen und politischen Überzeugungen haben nicht an Aktualität verloren. Dies zeigt die neue Monografie über den Schweizer Städteplaner, Architekten und Architekturprofessor.

Zu Unrecht wird die neue Monografie über Hans Bernoulli auf dem Büchertisch um einen zweiten Blick kämpfen müssen. Neun griffige Beiträge, mit denen namhafte Autoren das Schaffen des Schweizer Architekten und Theoretikers aus verschiedenen Perspektiven beleuchten, 52 seiner Bauten sorgfältig dokumentiert, ein umfassendes Werkverzeichnis und zwei Bildessays – all das hätte eine attraktive, zeitgemässe Verpackung verdient. Denn zeitgemäss und brisant sind Bernoullis städtebaulichen Ideen und politischen Überzeugungen heute noch. Die englische Redewendung «Don’t jugde a book by its cover» gilt in diesem Fall wörtlich und nicht im übertragenen Sinn.

Cover: Eine etwas altbackene Verpackung für einen immer noch zeitgmässen Inhalt (Gestaltung Philippe Mouton).

Es passt, dass uns die Publikation im Jahr 2019, in dem wir über die Zersiedelungsiniative abgestimmt haben, eine neue Landschaftsinitiative lanciert (siehe Themenheft «Die schöne Landschaft») wird und die Schweizer Wohnbaugenossenschaften ihr hundertjähriges Bestehen feiern, an Bernoullis grundlegendste Überzeugung erinnert: den Boden der Spekulation entziehen. Wie der Schweizer Architekt von seiner ersten Kritik an der Stadterweiterung in Bremen über seine prägende Tätigkeit für die Deutsche Gartenstadtgesellschaft zum politischen Architekten wurde, zeichnet die Mitherausgeberin Sylvia Claus in ihrem Beitrag nach. Seinem Postulat der «Einheitlichkeit» im Städtebau spürt Architekturpublizist Hubertus Adam nach.

Die Farbfotos hat Ewa Wolanska mit einer Mittelformatkamera gemacht: Bernoulli-Häuser, Zürich, 1923–1930.

Die Aussage von 1926, dass «die heutigen Bodenbesitzverhältnisse und der daraus resultierende Eigentumsfanatismus eine zusammenhängende Bearbeitung von Strassenfassaden stets gezwungen erscheinen lassen», kann man heute eins zu eins in die Städtebaudebatte einbauen. Mitherausgeber Lukas Zurfluh untersucht Bernoullis Rolle im Kleinhausbau und konstatiert, er sei einer der wenigen gewesen, der diese Frage mit der Geldpolitik der Nationalbank zusammengedacht und auf verschiedenen Ebenen versucht habe, die Kosten zu senken. Dass er wie kaum ein anderer Schweizer Architekt seine eigene «Generationenlagerung» reflektiert habe, stellt Bruno Maurer in seinem Beitrag über Bernoullis Wirken als Redaktor fest.

Die Kamera hat keine Anzeige, Licht und Bildanschluss müssen vor Ort manuell ausgemessen werden: Getreidespeicher und Werfthalle, Basel, 1922/23.

Die Monografie eröffnet der Leserin mit Archivbildern, Plänen und Baudokumentationen aber auch sein architektonisch und städtebaulich facettenreiches Werk. Zwei Bildessays verorten Bernoullis Bauten im heutigen Kontext. Die Bilder des Fotografenduos Eisenring / Koller zeigen mehrheitlich Bernoullis Geschäftshäuser und öffentliche Bauten in Farbe. Ungewöhnlich und spannend sind die schwarzweissen Diptychen und Triptychen von Ewa Wolanska, die sie mit einer Grossformatkamera geschossen hat.

Buchvernissage: Mittwoch 6. März, 19 Uhr, Buchhandlung Spheres, Zürich

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