Schwanzer – der Architekt aus Leidenschaft, hier mit seinem Entwurfsteam.

Aus dem goldenen Papierkorb

Anfangs baute er Mode-Boutiquen, später die BMW-Zentrale in München. Dazwischen landeten hunderte Entwürfe im Papierkorb. Die Biografie des Architekten Karl Schwanzer ist nun als Comic erschienen.

Die Familie findet im Comic um das Leben und Schaffen des Architekten Karl Schwanzers kaum Platz. Trotzdem war es der Sohn, Martin Schwanzer, der das Projekt überhaupt erst initiierte. Gemeinsam mit Trickfilmer und Zeichner Benjamin Swiczinsky und dem Regisseur Max Gruber erzählt er nun die Biografie seines Vaters nach. «Schwanzer – der Architekt aus Leidenschaft» ist Anfang Dezember 2018 bei Birkhäuser erschienen. Ein Titel, der seltsam satirisch anmutet bei einer ernst erzählten Geschichte.

 

1918 in Wien geboren, beginnt Karl Schwanzer seine Karriere gleich nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Umbau eines Modesalons. Auf das kleine Projekt folgen bald grössere. An die zweitausend Bewerbungen jährlich habe der junge Architekt anfangs verschickt, um an Aufträge zu gelangen. Karl Schwanzer baut Pavillons für zwei Weltausstellungen, entwarf den Masterplan für die Universität Riad in Saudi-Arabien und schafft mit dem BMW-Ensemble in München eine Ikone. Im Wettbewerb teilt er sich hierfür zunächst den zweiten Platz. Im Comic spricht er darauf: «Ich MUSS diesen Auftrag haben!» Er besucht jeden einzelnen BMW-Aufsichtsrat, erklärt seine Grundrisse. Runde Grossraumbüros seien schwer vorstellbar, heisst es, die Pläne und Modelle zu abstrakt. Also lässt Schwanzer in den Bavaria-Filmstudios eine Viertel-Etage als 1:1 Modell nachbauen – inklusive Statisten. Effektvoll und überzeugend. Im Studio-Modell wurde später der Imagefilm für den fertigen Bau gedreht. Zwischen den grossen Projekten bleibt keine Zeit für ruhige Momente: Karl Schwnzer doziert während fünfzehn Jahren an der TU Wien, ist Gastprofessor an weiteren Hochschulen, begleitet Studienreisen und lädt die Prominenz der Branche zu Feiern im eigenen Haus ein. 

Alles, was nicht überzeugte, wanderte in den «goldenen Papierkorb».

Auf siebzig Seiten erzählen Bilder in kräftigen, teils komplementären Farben 28 Jahre dieses bemerkenswerten Lebens. Rahmenhandlung ist die Arbeit an Schwanzers Publikation «Architektur der Leidenschaft», die er 1974 schreib. Sie veranlasst den Architekten, den Comiclesern ganz direkt von seinen eigenen architektonischen Meilensteinen zu erzählen. Viel habe er erreicht, innovativ und wegweisend sei er gewesen und noch dazu ein Sprachtalent. Sein Perfektionismus war einnehmend. Ein Leben ausserhalb des Ateliers schien für den Karl Schwanzer aus dem Comic nicht zu existieren. Der Comic zitiert ihn aus seiner Publikation: «Mit der Lösung eines Problems ist man verkettet bis zur Selbstaufgabe. Man vergisst zu essen, zu schlafen, zu lieben.» Die Entwurfsphasen waren langwierig. Entwerfen komme schliesslich von verwerfen und so wanderte alles, was Schwanzers prüfenden Blick nicht bestand, in den «goldenen» Papierkorb. 

 

Die gezeichnete Biografie ist ein Rundumschlag über die kurze Karriere bis zum überraschenden Selbstmord des Architekten im August 1975. Erzählt über die einzelnen Projekte, wird nicht viel über Karl Schwanzer als Mensch bekannt. Bis zu seinem Tod bleibt er der Architekt, die unnahbare Ikone. Innere Kämpfe, Reflexion oder Selbstzweifel sind ihm nur in einer knappen Szene abzulesen – sein Tod bleibt unerklärt. So ist es mit einigen Handlungssträngen, die im Comic zugunsten detaillierter Projektbeschriebe ins Leere laufen. Einmalige Begegnungen und Andeutungen bleiben anekdotisch. Verwebt zur Schaffensgeschichte ist dieser Comic eine pathetische Hommage an den renommierten Wiener Architekten.

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