Arkadien, erschienen bei Edition Hochparterre.

Arkadien. Landschaften poetisch gestalten.

Der Landschaftsarchitekt Peter Wullschleger schrieb in der neuen Ausgabe von Anthos eine Rezension von «Arkadien – eine Poesie der Landschaft». Sie ist kritisch, sie ist lesenswert.

2014, an der Tagung «The Narrative of Landscape» im Rolex Learning Center der ETH Lausanne sagte ein Referent, ich weiss nicht mehr wer, es gäbe keine Landschaftsarchitektur, Landschaft könne nicht gestaltet werden, weil es sich nicht um einen Gestalt gewordenen kulturellen Akt, sondern um eine Art Trägersubstanz von Kultur handle. So wie beschriebenes Papier. Natürlich gibt es auch eine Kulturgeschichte des Papiers, aber die ist in jedem Buch und in jeder Zeitung irrelevant.

Man kann über diese These durchaus streiten. Mir ist sie beim Lesen des Buchtitels wieder in den Sinn gekommen. Sie führt uns weit hinter die Arkadiendiskussion zurück, nämlich einmal mehr auf den Landschaftsbegriff selber. Landschaft ist eine Beziehungsgeschichte zwischen den Menschen und ihren Lebensräumen. Solange diese Beziehung anhält gibt es Landschaft. Wenn Rodewald die Landschaft bedroht sieht oder sogar von deren Zerstörung spricht, dann kann nur diese Beziehung gemeint sein und nicht die uns umgebende biologisch-geomorphologische Realität. Um diese Beziehung zu beschreiben bietet sich allein das vertraute Mensch-Mensch-Vokabular an mit Begriffen wie Liebe, Attraktivität, Sinnlichkeit, Respekt, Demut usw. 

Erstaunlicherweise finden sich diese Begriffe im Buch selten. Es herrscht vielmehr ein seltsam materialistisches Klima der Landschaft als objekthaftes Gegenüber. Eine Art Wohlbefindensmaschine, die durch unsachgemässen Gebrauch irgendwie ins Stocken geraten ist. Ein paar Ersatzteile hier, ein neuer Anstrich dort und alles ist wieder in Butter.

20 Persönlichkeiten berichten über 20 verschiedene Arkadien und es lässt sich kein Muster ablesen. Und das ist gut so. Niemand will Sehnsüchte uniformieren. So gesehen ist denn auch Gantenbeins und Rodewalds Plädoyer für die Poesie des Raumes nur bedingt die Frucht der Interviews und Essays. Wahrscheinlich hätten sie es auch ohne letztere zu Papier gebracht. Ihre sieben Arkadien-Bilder und die darin eingeschriebenen Feststellungen und Forderungen sind schön und harmonisch. Sie erinnern mich an mein persönliches Lieblingsbild «Sortie de l’etable» von Edouard Jeanmaire. Bilder sind Bilder sind Landschaften. Wahrnehmung, Selektion, Sehnsucht. Niemand interessiert sich für die Produktionsbedingungen. Den knurrenden Magen des Malers, die fast leere Zisterne des Bauern.

Eigentlich will niemand sein Arkadien realisiert sehen. Einerseits ist dies aus Komplexitätsgründen schwierig und andererseits: wo soll ich dann mit meinen Sehnsüchten hin? Aber auch die profane Landschaftsproduktion im Sinne der gebauten Umwelt fängt nicht bei der Wiederherstellung eines Saumpfades, dem Erhalt eines Bauernhauses oder bei überständigen Altgrasstreifen an. Solange die Schürfrechte an der helvetischen Landschaft im demokratischen Bermudadreieck von Grundbesitzern, Kommunalpolitikern und Baulöwen (im Idealfall in Personalunion) ausgemacht werden, bleibt Arkadien im Portemonnaie. Renditeaussichten im hohen vierstelligen Bereich bedienen ganz andere Sehnsüchte als die Aussicht auf eine unverbaute Kulturlandschaft des späten 19. Jahrhunderts.

So bleibt der Kampf um Arkadien ein politischer und die Arkadiendebatte eine Wertedebatte. Vielleicht muss man das, was ein religiöser Mensch Schöpfung nennen würde, einfach respektieren und ehren, ja vielleicht lieben. Vielleicht muss man sich beim Laufkäfer entschuldigen, wenn man ihn aus Unachtsamkeit mit dem Velo überfährt, vielleicht muss einem das Herz bluten, wenn ein kerngesunder Baum oder ein ganzer Garten einem Parkplatz weichen muss, vielleicht bin ich doch auch ein hoffnungsloser Arkadier. So danke ich Köbi und Raimund für dieses anregende Bekenntnis in Buchform. Der Kreis schliesst sich. Beschriebenes Papier. Kulturträger. Arkadier aller Länder vereinigt euch!

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