Schatten nach Mass
Ein durchdachter Fensterladen leistet mehr als Beschattung. In der Baumuster-Centrale zeigte die Jaloumatic AG ihre massgeschneiderte Lösung für die Siedlung «Vogelsang» von Knapkiewicz & Fickert.
Wer mit dem Zug von Zürich nach Winterthur fährt, sieht die Siedlung «Vogelsang» rechterhand aus dem Fenster blickend kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof. Als die Siedlung der Gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaft Winterthur (GWG) 2021 fertiggestellt wurde, machte sie Farb- und Formgebung zum Stadtgespräch. Auf einer Länge von 350 Meter steigt sie in den Hang über dem Gleisfeld. Ein Hochparterre Themenheft hält fest: «Eine verwinkelte Wohnburg in Ockergelb und mit Balkonen und Erkern, mit Hauben wie Bretterhütten und knallgrünen Fensterläden.»

Markant in der Farbe und clever in der Bauweise sind diese Fensterläden Thema für einen Brownbag-Lunch in der Baumuster-Centrale, zu der die Jaloumatic AG eingeladen hat. Das zahlreich erschienene Publikum folgte mit Sandwich in der Hand Axel Fickert, der Einblick in das Projekt gab, sowie Lukas Bolzhauser und Reto Unternährer von Jaloumatic, welche die Alu-Klappläden erklärten. Der Ersatzneubau «Vogelsang» schuf 150 neue Wohnungen auf der Fläche der einstigen Siedlung aus den 1940er Jahren. Knapkiewicz & Fickert setzten sich im Wettbewerb mit einer raffinierten Wabenstruktur gegen 91 Bewerberinnen durch. Dadurch ergeben sich verschiedene Blickachsen für die Wohnungen, die um acht Innenhöfe herum angeordnet sind.
Die venezianischen Fensterläden nehmen in der dichten Siedlungsstruktur den Wunsch nach Privatsphäre auf, denn sie schirmen nicht nur Sonne, sondern auch Blicke ab. Die zweiteilige Konstruktion ermöglicht Spiel- und Gestaltungsraum: So wie die Bewohnerinnen und Bewohner die Klappläden stellen, streuen sie Licht und Luft in den Raum. Die Jaloumatic AG war mit Knapkiewicz & Fickert erstmals 2017 für die Entwicklung der venezianischen Läden in Kontakt. Die Firma ist spezialisiert auf solche Aluminiumanfertigungen und Spezialmasse. Mit Sitz im Aargauischen Wohlen arbeiten sie mehrheitlich mit Schweizer Zulieferern wie beispielsweise Alu Menziken für ihre Aluminiumprofile aus recyceltem Alu. So produzierten und montierten sie Schiebeläden für Tilla Theus’ Tschuggen in Arosa, für die Wohnsiedlung Guggach von Hochuli Althammer oder den Escherpark von E2A.
Im Auftrag der Planer nahmen sie sich der Modernisierung des venezianischen Fensterladens an – eine Herausforderung, da die Fenster tief in der Laibung sitzen. Die Wandkonstruktion mit Dämmstein erforderten besondere Lösungen mit Klebankern, um die Zargen stabil und präzise einzulassen. Gummipuffer an der Fassade federn den Schwung des ersten Ladens ab, Überdrehwinkel verhindern, dass der zweite Laden ausschert. Damit sie auch kräftigen Böen standhalten, werden sie mit Zugwindfallen gesichert. Da diese jedoch bei herkömmlichen Fensterläden von der Innenseite her greifen, musste Jaloumatic auch hier eine Umkehrlösung konstruieren.
Um die Sonderanfertigungen zu prüfen, bauten die Firma eigens ein Mockup. Was im Studio funktioniert, musste folglich auch im Einbau überzeugen. Bei 645 Fenstern, die sich nach Stockwerk und Wohnungstypologie unterscheiden, ist dies Millimeterarbeit. Die 2094 einzelnen Elemente wurden produziert und anschliessend korrekt nummeriert zur Pulverbeschichtung versandt. Als die 140 Paletten unsortiert aus dem Lackierwerk kamen, stellte dies die Mitarbeitenden vor eine nervenaufreibende Puzzlearbeit. Der Transport und die Verteilung war eine zusätzliche Herausforderung. Um die Arbeit in der knappen Zeit bis zum Einzugstermin fertigzustellen, wurden die Paletten mit Helikopter in die Innenhöfe geflogen. Nach der fachmännischen Montage passte das Verhältnis der Läden zur Laibung, die Winkel griffen sauber um die Ecke, sodass die venezianischen Fensterläden der Siedlung «Vogelsang» den markanten grünen Farbtupfer verleihen.