Das in Mellikon gebrochene Juragestein verwendet Holcim Kies und Beton in Kleindöttingen für rund 80 Betonrezepturen. Fotos: Roger Frei
im Auftrag von Holcim Kies und Beton AG

Mit einer Schale aus Aargauer Gestein

In Zürich steht seit 10 Jahren ein Wohnhaus mit einer feinen Schale aus Ammocret, dem Aargauer Kalksteinbeton. Dahinter stecken konstruktive Kraftakte, wie man am letzten «Konkret am Mittag» erfuhr.

Das Stadthaus, das Bob Gysin Partner auf einer Parzelle am Zürcher Hottingerplatz ab 2007 entwarfen und 2010 bauen liessen, war aus einem Stück gedacht, zusammenhängend – in einem Wort monolithisch. Passend dazu sollte es aus Beton gegossen werden, erläuterte Architektin Binta Anderegg an der Online-Veranstaltung der Schweizer Baumuster-Centrale «Konkret am Mittag». Die Architektinnen und Architekten schnitzten das Volumen behutsam aus der Parzelle, Richtung Hottingerplatz mit einer repräsentativen Breitseite, Richtung Innenhof an die engen Verhältnisse angepasst und in eine schmale Raumschicht zulaufend. Farblich sollte sich der Hausstein unauffällig ins Quartier und dessen braun-beige Palette einfügen. Die Wahl fiel deshalb auf den Aargauer Kalksteinbeton Ammocret, dessen beige-warmer Grundton auf Jurakalk zurückgeht.

An der Online-Veranstaltung «Konkret am Mittag», organisiert von der Schweizer Baumuster-Centrale, informierte Alex Vögeli, Holcim Kies und Beton, über den Ursprung und die Herstellung von Ammocret.

Gestein aus Mellikon
Lange Zeit setzte man Kalksteinbeton zur Abschirmung gegen Erdstrahlung in Kellern ein und entdeckte ihn in den letzten 20 Jahren erst nach und nach als Sichtbeton, berichtete am Anlass Alex Vögeli, der seit langem Beton im Kleindöttinger Werk herstellt, das heute zu Holcim gehört. Das Gestein für Ammocret wird in Mellikon gesprengt, vorgebrochen und aussortiert. Anschliessend lagern die Schroppen, wie die geeigneten Steinstücke heissen, während sechs Monaten draussen beim Werk in Kleindöttingen, und was danach nicht zerfallen ist, wird ausgesiebt. Der schliesslich verwendete Kies ist gewaschen und weist eine Korngrösse zwischen 0 und 22 Millimetern auf. Hauptsächlich verwendet wird der mit frostbeständigem Dolomitsand aufgehellte, hellgräuliche Ammocret sowie der örtliche beige Ammocret, wie er am Hottingerplatz verbaut wurde. Rund 80 Rezepturen  mit verschiedenen Zuschlagstoffen biete das Werk an, sagte Alex Vögeli am «Konkret am Mittag». Die Oberflächen reichen von spiegelglatt, gestockt und gespitzt bis sand- oder wassergestrahlt und schliesslich geschliffen. Das beste Ergebnis erziele man, wenn der Beton acht bis 12 Wochen gleichmässig aushärte. Das Werk produziert auch Distanzhalter für die Bewehrung aus demselben Beton, um den Farbton einzuhalten.

Binta Anderegg von Bob Gysin Partner BGP Architekten mit den Betonmustern und dem Modell des «Monolithen», des Wohnhauses am Zürcher Hottingerplatz.

Mit Jutetüchern befeuchtet
Das Haus, das nun so selbstverständlich am Hottingerplatz steht und beständig aussieht, benötigte eine aufwändige Planung und Konstruktion, die «die Grenzen der Ammocret-Verwendung verschob», wie Binta Anderegg schmunzelnd sagte. Zusammen mit den Bauingenieuren von Walt und Galmarini entwickelten Bob Gysin Partner eine zweischalige Konstruktion aus 20 Zentimetern Recyclingbeton, einer 23 Zentimeter dicken Dämmung, die zugleich als verlorene Schalung diente, und der Aussenschale aus 12 Zentimetern Ammocret. Diese wurde ebenfalls vor Ort gegossen, selbst verdichtend, also kaum vibriert sowie ohne Dilatationsfugen. Das setzte einen relativ flüssigen Beton voraus, was für Kalksteinbeton nicht ideal ist, da Kalk viel Feuchtigkeit aufnimmt, um auszuhärten. Um Ausblühungen zu vermeiden, hängte man deshalb zur Nachbehandlung teils bewässerte Jutetücher vor den gegossenen Beton.

Den warmen Ton des Ammocret zeigt sowohl die glatte wie die gestockte Oberfläche.

Alle zehn Jahre tiefenhydrophobieren
Die zweite Herausforderung betraf die gestockte Fassade: Bei bloss 12 Zentimeter Materialstärke wurde es teils knapp mit der Überdeckung der Armierung. Man wählte darum eine rostfreie Armierung aus gezinktem Stahl. Wo sich an der Oberfläche Wasser sammeln könnte, wurde sie mit Flüssigkunststoff abgedichtet und dieser im Farbton der Fassade abgesandet. Zudem wurde die gesamte Konstruktion tiefenhydrophobiert – eine Behandlung, die zirka alle zehn Jahre nötig ist und deshalb demnächst wieder ansteht am Hottingerplatz.
Die Kunst der Konstruktion scheint beim Haus am Hottingerplatz auf eine faszinierende Spitze getrieben. Allerdings mutet der enorme energetische Aufwand dafür heute, nur 10 Jahre später, angesichts der Klimakrise und der Diskussionen rund um CO2-freien Beton etwas aus der Zeit gefallen an. Als Leitspruch für eine schöne und gleichzeitig effiziente Konstruktion könnte dienen, was Alex Vögeli an der Veranstaltung sagte: «Die Ästhetik des Ammocret ist jeweils so gut, wie sie auch den physikalischen Gesetzen standhält.»

«Stadtskulptur in Jurafarben» nennen die Architekten das 2010 erstellte Wohn- und Atelierhaus am Zürcher Hottingerplatz

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