Ein Mock-up der Fassade des Heilpädagogischen Zentrums Glarnerland ist derzeit der Blickfang in der Baumuster-Centrale. Fotos: Schweizer Baumuster-Centrale
In Zusammenarbeit mit Serge Ferrari AG und Kästli Storen AG

Gekonntes Schattenspenden

Damit Stoffe Schatten spenden, braucht es einen schattenspendenden Stoff und die Konstruktion, die den Stoff an Ort hält. Mit Serge Ferrari und Kästli Storen waren am Brownbag Lunch in der Schweizer Baumuster-Centrale beide vertreten.

Es hätte ja auch ganz anders sein können Ende Oktober: düster, nass und windig. Doch die Wettermacher hatten offenbar in den Veranstaltungskalender der Schweizer Baumuster-Centrale in Zürich geblickt und gesehen, dass an diesem Donnerstagmittag das Thema Schatten-Stoffe auf dem Menu-Plan stand. Neben den Sandwiches, Früchten und Süssigkeiten natürlich, die im Brownbag zum Lunch gereicht wurden. Und also war es ein prächtiger, sonniger Herbstmittag, an dem die Interessierten zahlreich in die Centrale an der Weberstrasse strömten.

Damit Stoffe Schatten spenden, braucht es zweierlei: einen schattenspendenden Stoff und die Konstruktion, die den Stoff zur richtigen Zeit an den richtigen Ort bringt und ihn dort stabil in der Form hält. Dem entsprechend gab es zum Thema zwei Referate – eines vom Stoffhersteller und eines vom Sonnenschutzfabrikanten.

Giovanni Palumbo, Leiter Objektberatung Schweiz bei Serge Ferrari, stellte zunächst den weltweit tätigen Familienbetrieb vor, den kaum jemand beim Namen kennt. Warum sollte man auch? Denn wenn ein Architekt einen Sonnenschutz plant, arbeitet er ja nicht mit dem Stofffabrikanten zusammen. Dabei liegen gleich zwei der drei Produktionsstandorte der Firma mit Hauptsitz in der Nähe von Lyon in der Schweiz. Das Paradepferd unter den Produkten von Serge Ferrari sind die mit der Précontraint-Technologie hergestellten Sonnenschutzgewebe. Dieses Compositmaterial aus einem zähen Polyestergarn und einer Polymer-Beschichtung wird während des ganzen Produktionsprozesses in allen vier Richtungen unter Spannung gehalten. Dadurch ist die Ausdehnung dreimal kleiner als bei herkömmlichen Materialien und die Formstabilität entsprechend grösser. Auch unter hoher UV-Belastung hat das Material – unter der Produktbezeichnung Soltis für den Sonnenschutz eingesetzt – eine lange Lebensdauer und geringe Wartungskosten. Es schimmelt nicht und die Farbe des Sonnenschutzes verändert – anders als beispielsweise ein herkömmlicher textiler Stoff – nicht die Farben im Innern eines Raumes.

Kästli Storen ist einer der wenigen Sonnenschutz-Hersteller, die das Serge-Ferrari-Produkt Soltis selber verarbeiten, wie Marc Kästli, Geschäftsführer der 80-jährigen Traditionsfirma betont. Bei rund dreissig Prozent der Produktion werden Soltis-Produkte verwendet. Als Manufaktur mit guten Handwerkern ist der Storenhersteller ein idealer Ansprechpartner insbesondere für Architekten, die mehr wollen als bloss einen Nullachtfünfzehn-Sonnenschutz von der Stange.

Anhand einiger Beispiele zeigt Kästli, wie sein Team auf die besonderen Anforderungen eingehen kann. So war an einem gläsernen Wohnhaus, das Herzog & de Meuron im Thurgau entwarfen, die hohe Windgeschwindigkeit in Verbindung mit den grossen Flächen zu meistern. Beim Herzog-&-de-Meuron-Gebäude der Helvetia in St. Gallen durften die Storen im eingefahrenen Zustand nicht sichtbar sein und mussten im ausgefahrenen Zustand ihre präzise Form behalten; auch hier ist der Wind stark. Beim Gebäude der Welt-Handels-Organisation WTO in Genf überdeckten Kästli Storen das verglaste Atrium, sodass an den inneren Fassaden auf einen Sonnenschutz verzichtet werden konnte. Die Besonderheit waren hier die unterschiedlichen Formen der einzelnen Felder. Marc Kästli gab einen kurzen Einblick in die Produktion mit dem grossem Schneidetisch, auf dem die Gewebe konfektioniert werden, und der Balkenschweissanlage für die Säume, die äusserst reissfest sein müssen. Kästli betonte, wie wichtig das Zusammenspiel von Stoff und Gestell und die richtige Dimension der Tuchwelle – des Rohres, auf dem der Stoff aufgerollt wird – sind. Schliesslich will man den «Tannenbaumeffekt» bei der abgerollten Store vermeiden.

Als Vertreter der ARGE HPZ (Bienert Kintat Architekten und AMJGS Architektur) stellte dann Volker Bienert das Heilpädagogische Zentrum Glarnerland in Oberurnen vor. Bienert betonte, dass sie viel mit Stoffstoren arbeiten, sodass die ausgestellten Markisen das Heilpädagogische Zentrum schon im Wettbewerb zierten. Der Neubau besteht aus zwei Teilen: der Schule und dem darauf gesetzten Internat mit drei Wohngruppen. Hinter der Holzfassade verbirgt sich ein Massivbau, dessen aufwendig geschalten Rippendecken den Räumen einen starken Charakter verleihen. Die Gliederung des Bauvolumens und die geschossweise unterschiedlichen Lagen von Terrassen und Lauben führten zu anspruchsvollen konstruktiven Details – erst recht an der sorgfältig komponierten Holzfassade aus Weisstanne. Die Brüstungsbereiche mit horizonaler Stülpschalung wechseln sich ab mit einer Schalung mit Nut und Feder, die die Fensteröffnungen miteinander verbindet. Schon früh wurden die Details an einem Mock-up entwickelt, zu dem auch der Sonnenschutz gehörte – der übrigens besonders hohe Windkräfte aushalten muss.

Das auf den Ausführungsstand aktualisierte Mock-up ist zurzeit übrigens in der Baumuster-Centrale zu sehen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Brownbag-Lunchs betrachteten es ausgiebig und prüften es auf Herz und Nieren.

Der Brownbag-Lunch ist eine Veranstaltung der Schweizer Baumuster-Centrale Zürich.

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