Pauline Golüke hat die Eigenheim-Siedlung in Winterthur vom Tessenow-Schüler Franz Scheibler mit Kamera und Skizzenbuch besucht. Fotos: Pauline Golüke

Was wir von Tessenow (noch) lernen können

Pauline Golüke hat die Tessenow-Ausstellung besucht, die derzeit in Winterthur zu Gast ist. Die Architekturstudentin fand darin Prinzipien, die heute wieder relevant sind - Teilhabe, Einfachheit, Naturbezug.

Seit ein paar Wochen gehe ich jeden Tag an den Plänen, Modellen und Zitaten von Heinrich Tessenow vorbei. Die Ausstellung in der Architekturhalle der ZHAW in Winterthur ist temporär Teil meines Studienalltags geworden – ob ich will oder nicht. Ich bin eine von rund 300 Architekturstudierenden, die mehrmals täglich durch Martin Boeschs Schau «Heinrich Tessenow. Annäherungen und ikonische Projekte» laufen und sich fragen: Was hat das mit mir zu tun? Zunächst wirkt es wie ein Clash der Generationen. Tessenows Architektur ist ruhig, beinahe zurückhaltend – freundlich, wie viele sagen. Sie erzählt von Einfamilienhäusern, Gartenstädten, von einem Ideal, das in der heutigen Realität – bestimmt durch Wohnungsnot, Klimakrise und Verdichtung – fast surreal wirkt. Und doch spüre ich: Da steckt mehr drin als nur eine Hommage an vergangene Zeiten. Die Ausstellung schlägt über den Architekten und Tessenow-Schüler Franz Scheibler den Bogen zu Winterthur und zum Jetzt. Vorträge und Spaziergänge zu seinen Bauten setzen den Winterthurer Tessenow-Schüler in Relation zu seinem Lehrer. Ich habe seine Bauten ohne Führung besucht, mit Kamera und Skizzenbuch. Und plötzlich wurde die scheinbare Vergangenheit greifbar: Die Siedlungsbauten Scheiblers – traufständige Reihenhäuser – haben einen klaren Bezug zur Lehre Tessenows. Es ist eine Architektur, die Konflikten lieber aus dem Weg geht, als sie heroisch zu lösen. Und trotzdem eine starke Sprache spricht. Besonders berührt hat mich die «Selbsthilfe-Kolonie», heute «Siedlung Eigenheim». Entstanden nach dem Ersten Weltkrieg, um Menschen mit geringem Einkommen Wohnraum zu ermöglichen. Das Prinzip war einfach: Wer dort wohnen wollte, musste zehn Prozent der Baukosten als Eigenleistung einbringen – etwa in den Straßenbau, ins Verputzen oder ins Fliesenlegen. Gemeinschaftlich wurde mit einfachen Mitteln  eine Arch...
Was wir von Tessenow (noch) lernen können

Pauline Golüke hat die Tessenow-Ausstellung besucht, die derzeit in Winterthur zu Gast ist. Die Architekturstudentin fand darin Prinzipien, die heute wieder relevant sind - Teilhabe, Einfachheit, Naturbezug.

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