Vom 3-D-Modell bis zur Montage

Für den Neubau des Kinderspitals Zürich realisiert Kästli den Sonnenschutz der Innenhöfe. Das Grossprojekt von Herzog & de Meuron zeigt, was Digitalisierung im Planungsprozess bedeutet.

Fotos: Filipa Peixeiro
In Zusammenarbeit mit Kästli & Co.

Für den Neubau des Kinderspitals Zürich realisiert Kästli den Sonnenschutz der Innenhöfe. Das Grossprojekt von Herzog & de Meuron zeigt, was Digitalisierung im Planungsprozess bedeutet.

Schon bei der Tramhaltestelle Balgrist leitet ein Wegweiser zur Baustelle des Kinderspitals im Zürcher Kreis 8. Und schon von Weitem sieht man die langgezogene, konkave Fassade des künftigen Akutspitals hinter den Gerüsten entlang der Lenggstrasse. In Etappen entsteht hier der Neubau des schweizweit grössten Spitals für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Im Osten des Gebäudes schreitet der Innenausbau zügig voran, während im Westen gerade der Rohbau abgeschlossen wird. Monteure arbeiten auf den Gerüsten, Arbeiterinnen verschwinden mit ihren Werkzeugen durch das Drehkreuz. Alles ist in Bewegung. Enge Zusammenarbeit ist auf einer Baustelle dieser Grösse eine Grundvoraussetzung. Und doch funktioniert sie hier etwas anders als gewohnt: Der Neubau ist ein Vorzeigeprojekt der BIM-Planung, auch die Ausführung wird über Open-BIM abgewickelt.

Ein Neubau für Labor, Lehre und Forschung
Bereits in den 1990er-Jahren litt das Kinderspital am bisherigen Standort in Zürich-Hottingen unter Platzproblemen. Seither ist die Zahl der Patientinnen weiter angestiegen, sodass die Infrastruktur den hohen Standards nicht mehr genügt. Die Trägerschaft, die 1868 gegründete Eleonorenstiftung, plant deswegen seit 2006 einen Neubau auf der Lengg. In einem zweistufigen selektiven Wettbewerb hat sich der Entwurf von Herzog & de Meuron durchgesetzt. Gemeinsam mit dem Generalplaner Gruner wird das Basler Architekturbüro das Projekt bis 2024 realisieren. Auf dem nördlichen Teil des Areals entsteht ein Rundbau für Labor, Lehre und Forschung, im Süden wird das neue Spital gebaut. Fast 10 000 stationäre Patientinnen und mehr als 40 000 Patienten in der Notaufnahme sollen hier jedes Jahr betreut werden.


Die v-förmigen Verstärkungen sind mit dem Storenrahmen verschweisst.

Von der Strasse aus nicht sichtbar sind die 16 Innenhöfe, die Licht ins 200 Meter lange und über 100 Meter tiefe Gebäude bringen; mal reicht es bis ins Erdgeschoss, mal durchdringt es nur die oberen zwei Geschosse. Runde und rechteckige Formen schaffen wiedererkennbare Orte auf der grossen Fläche – schon jetzt bieten die Innenhöfe Orientierung auf der Baustelle. So unterschiedlich die Formen auch sind, der architektonische Ausdruck ihrer Fassaden verbindet sie. Vertikal angeordnetes Douglasienholz mit fein gerippten, weissen Elementen dazwischen gliedert sie. Dort, sorgfältig zwischen die schmalen Holzteile eingepasst, werden die Storen von Kästli montiert.

Eine Frage der Ästhetik und der Abläufe
Wie der Sonnenschutz in den Innenhöfen aussehen soll, war früh in der Entwurfsphase klar. Die Idee zur bestmöglichen Umsetzung entwickelten Herzog & de Meuron gemeinsam mit Kästli. Als Basis dienten Renderings und ein Mock-up. In der Regel geht die Planung vom Profil aus, das der Metallbauer anfertigt; darauf wird eine standardisierte Storenführung montiert. Doch die Konstrukteurinnen von Kästli wollten das vorgeschlagene Modell filigraner gestalten. Mit der Metallbaufirma von Niederhäusern suchten sie nach Lösungen. Statt aus zwei ineinandergeschobenen Profilen besteht die Storenführung nun aus einem einzigen C-Profil. Die dunkelbraunen Metallrahmen mit v-förmigen Verstärkungen bestehen aus Stahl, damit sich alle Elemente verschweissen lassen. Die leicht nach vorn geneigte Konstruktion wird an der Laibung befestigt und im Profil verschraubt, damit am fertig montierten Sonnenschutz keine Schrauben mehr sichtbar sind.


Storenführung im Vertikalschnitt

Die v-förmigen Verstärkungen im Schnitt

Neben der Ästhetik galt es, bei der Entwicklung auch die Abläufe auf dem Bau im Blick zu behalten. Monteure und Holzbauer müssen präzise zusammenarbeiten, damit die Befestigungen genau unter den Laibungen montiert und die Storen am richtigen Ort installiert werden, auch um sicherzustellen, dass sich später an der Holzkonstruktion nie stehendes Wasser ansammelt. Dass Kästli die Zusammenarbeit koordiniert, hat sich aus der geforderten Ästhetik und dem Bauablauf ergeben. Das Unternehmen konnte so nicht nur die ausgeschriebene Leistung, sondern auch deren Umsetzung übernehmen.

Aufwendiger Einsatz von BIM-Methoden
Für Firmenchef Marc Kästli war von Anfang an klar, dass das Projekt speziell herausfordernd werden würde. Zwar hatte Kästli bereits andere Projekte mit Herzog & de Meuron realisiert – etwa die Klinik für Neurorehabilitation und Paraplegiologie in Basel –, doch neu war, dass alle Phasen der Planung und Realisierung über offene BIM-Standards abgewickelt werden. «Für die tägliche Arbeit meines Teams bedeutet das in erster Linie, dass alle Informationen über eine digitale Plattform ausgetauscht werden», so Marc Kästli. Pläne, Protokolle und Mängellisten werden dort zentral verwaltet, das System erfasst alle Masse und speichert für jede Store eine Plandatei. Der Austausch der Daten sei oft schwerfällig, weil so viele Menschen am Projekt beteiligt sind. «Die Architektinnen, der Bauleiter und alle Fachplanerinnen bringen ihre Korrekturen ein, und erst wenn alles angepasst ist, entsteht der rechtsgültige Ausführungsplan.» Diesen bringen die Monteure dann in Papierform auf die Baustelle.


Neubau des Kinderspitals Zürich: Grundriss Erdgeschoss

Rendering «Courtyard»

Querschnitt (Rendering und Pläne: Herzog & de Meuron)

«Wir entscheiden für jedes Unternehmen individuell, mit welchem Digitalisierungsgrad die Ausführung auf der Baustelle begleitet wird», erklärt Christian Kscheschinski, der für Gruner Generalplanung die Leitung beim Bau der Fassade des neuen Kinderspitals übernimmt. «Die Haustechnikplanung und die detaillierte Architekturplanung von Herzog & de Meuron wurde komplett im 3-D-Modell umgesetzt, um so beispielsweise Schnittstellen im Leichtbau zu koordinieren.» Die Komplexität der Planung und der Qualitätsanspruch rechtfertige den aufwendigen Einsatz von BIM-Methoden, sagt Kscheschinski. Das BIM-Modell komme neben den klassischen Plänen auch auf der Baustelle zum Einsatz. Vorteile bringe es vor allem bei Gewerken, die viele verschiedene Teile erfordern, etwa bei den Lüftungssystemen. Zudem werde bei jeder der fast 3000 Türen ein QR-Code angebracht, über den alle Informationen wie Türtyp, elektronische Zuleitungen, Einbauzeitpunkt oder Mängel abrufbar seien. Diese stünden nicht nur während der Bauzeit, sondern auch später für das Facility Management zur Verfügung. Ihm als Bauleiter erleichtere das digitale Modell sogar die Orientierung und die Pendenzenführung auf der Baustelle, weil jedes Objekt über eine zugewiesene Nummer verortet werden kann.

«Die Ansprüche an das Qualitätsmanagement auf einer Spitalbaustelle könnten ohne BIM-Methoden kaum mehr eingehalten werden», betont Kscheschinski. Gleichzeitig lasse sich der komplexe Alltag auf einer Baustelle aber auch nicht in einem 3-D-Modell abbilden: Während es auf der Baustelle Staub, laute Bohrer und Bautoleranzen gibt, herrschen im Modell aufgeräumte Leere und millimetergenaue Abmessungen. Mit diesen Herausforderungen umzugehen und die Schnittstellen auf der Baustelle zu koordinieren, bleibe für ihn und seine Kollegen vor allem beim Ausbau eine zentrale Aufgabe, etwa in Form von Begehungen oder wöchentlich vor Ort stattfindenden Bausitzungen.

Herausforderungen über das Digitale hinaus
Für den Sonnenschutz werden vergleichsweise wenige unterschiedliche Teile verwendet. Insgesamt montiert Kästli in den Innenhöfen des Kinderspitals drei Produkte: die Gelenkarmstoren für die unteren Geschosse, einige wenige Fallarmstoren und die eigens für die oberen zwei Geschosse entwickelten Vertikalstoren in drei Ausführungen von unterschiedlicher Breite. «Für uns hätte es keinen grossen Mehrwert gebracht, die Bauteile bis zur letzten Schraube dreidimensional zu zeichnen», sagt Marc Kästli. «Und die Schnittstellen mit den anderen Unternehmen lassen sich über den direkten Austausch mittels konventioneller Pläne leichter lösen.» Darum laufen für Kästli vorerst nur der Planaustausch, die Mängelbehebung und die Schlussdokumentation komplett digital ab. «Die Zeit, die wir brauchen, um das digitale Modell laufend zu aktualisieren, sparen wir bei der Schlussdokumentation wieder ein.»

Neben der sich verändernden Arbeitsweise beschäftigt Marc Kästli auch der Gedanke, welchen Einfluss die digitale Verfügbarkeit der Daten auf seine Produkte hat: Wer hat Zugriff auf die sorgfältig erarbeiteten Details, und wie lassen sich neue Entwicklungen schützen? Doch die Daten und Masse, die in der digitalen Planung gespeichert sind, seien nur ein Teil der Innovation. «Bei uns hat das Handwerk im Entwicklungsprozess einen hohen Stellenwert. Und es wird in der Manufaktur von Person zu Person weitergegeben.»

Digitale Planung hin oder her: Für Kästli ist das Grossprojekt Kinderspital in Zürich eine Herausforderung. Um den Auftrag bewältigen zu können, hat Kästli nur den Sonnenschutz in den Innenhöfen übernommen. Der Auftrag ist zwar immer noch gross, doch die Anzahl eingebauter Storen bleibt überschaubar. Noch bevor die Planung abgeschlossen war, hat Kästli alle erforderlichen Teile eingekauft. «Das war ein gewisses Risiko, dank der präzisen Planung und der guten Zusammenarbeit war es jedoch tragbar», sagt Marc Kästli.


Der Sonnenschutz ist zwischen die schmalen Holzelemente eingepasst.


Dieser Beitrag ist Teil des Themenhefts ‹Zwischen Datenbank und Denkmalpflege›, das Hochparterre in Zusammenarbeit mit Kästli Storen publiziert hat. Es kann im Webshop bestellt oder als E-Paper gelesen werden.

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