Uli Huber Fotos: Christof Eugster

Uli Huber, Preisträger

Im bumsvollen Saal des Kornhauses erhielt Uli Huber gestern den «Berner Design Preis» und eine Laudatio mit Gesang, Wort und Klarinettenmusik.

Der Saal des Kornhauses Bern ist bumsvoll. Die Preise 2018 der «Berner Design Stiftung» werden verliehen. Robert M. Stutz, der Stiftungsratspräsident, verkündet Uli Huber als Träger des Berner Designpreises für Leben & Werk. Tosender Applaus. Köbi Gantenbein ist der Lobrender auf Hubers Leben & Werk und hebt an in Vallader, der Sprache des Unterengadins, zu singen: 

Che fast qu tü randulin ourasom sül quel manzin
Eu sun qua per t' avisar tü nü’t  dessast maridar
 

Das, liebe Festgemeinde, ist das Lied vom Randulin. Von der Schwalbe. Es ist ein Lied sich erfüllender Hoffnung aus dem Unterengadin. Es ist ein Lied, das die Schönheit ahnt. Denn lange war der Randulin fort aus dem Unterengadin, als Zuckerbäcker in Sankt Petersburg oder in Genua. Und endlich geht sein Wunsch in Erfüllung. Was er über viele Jahre lang dachte, sah, wollte und ahnte, ist schön, geraten, gewürdigt: Das reife Lebenswerk in der Abendsonne. 
 
Das ist unsere Stimmung, liebe Freundinnen und Freunde von Uli Huber. Jahre, ja Jahrzehnte lang ahnten, ja wussten wir die Substanz seines Werks, waren teilhaftig unterwegs in der Eisenbahn so oft. Und wir erlebten so, dass Uli Huber recht hat mit seinen Predigten: Nebst dem tadellosen Funktionieren brauchen die Menschen einprägsame Bilder und visuelle Geschichten von einem technischen Apparat wie der Eisenbahn. In all dem Getöse und Gekreische unerbittlich stampfender und vorwärtspreschender Apparate den menschlichen Massstab, die Schönheit, die praktische Vernunft. 
 
Und nun sitzen wir rings um Uli Huber, den Bildermacher, Bilderfreund und Bilderkämpfer. Um Uli, der als Chefarchitekt der SBB das Bild der Eisenbahn nachhaltig prägte, seine Geschichte schrieb, ihm Substanz gab, Massstab nehmend an einer bodenständigen Vernunft und architektischen Haltung der Moderne: Ordnung schaffen, Nutzen stiften, Schönheit suchen. Doch obacht: Wäre Uli Huber kein grundanständiger Mensch, würde er mir ins Wort fallen: «mitprägte, mitschrieb, mitschafft, mitstiftet, mitsucht». Er ist der Freund des Kollektivs, der weiss alles braucht mehrere. Doch jetzt fliegt die Schwalbe herbei und legt alles aus, preisgekrönt, zufrieden, schön. Uli Huber lobend und preisend. 
 
Der Redner nimmt seine Klarinette und spielt frei improvisierend treppauf und -ab, dem Randulin begegnend, mit ihm von Dur nach Moll hüpfen und dann wechselnd in den Marsch von «Se otto ore, macchinista». Er tiriliert über dies Lied und spricht weiter

Köbi Gantenbeins Laudatio mit Gesang, Wort und Klarinettenmusik.

Das ist die Hymne der Eisenbahner. «Se otto ore, Macchinista». Das war das Lied der Gewerkschaft der Lokomotivführer der italienischen Eisenbahn. Sie waren die stärksten der Welt. Voller Selbstbewusstsein setzten sie durch, dass sie bis vor wenigen Jahren zu zweit auf den Maschinen fuhren, wie Lokiführer und Heizer einst. Und wollte ihr starker Arm es, so stand die Eisenbahn still. Ihre Kraft, ihr Kampf hat die Eisenbahner weltweit geprägt, gestärkt und ermuntert. Eisenbahner haben das Wissen und Bewusstsein, dass sie ein eigensinniges Stück Oeffentlichkeit, Staat und Gesellschaft sind. Wenn sie die Eisenbahn bauen und wenn sie die Eisenbahn betreiben, zehren sie von dieser Kultur. Wir sind seit ein paar Jahren an der Zeitenwende – die Generäle der Eisenbahn schwadronieren von den selbstfahrenden Zügen, vom menschenlosen Apparat, in dem wir Menschen dennoch sitzen sollen. Billets zahlend. Einen Vorgeschmack haben wir ja auf dem Bahnhof ohne Vorstand und im Zug ohne Kondukteur. Wird dieser Apparat wird unserer werden? Uli gestaltete die Eisenbahn als Apparat von Menschen für Menschen an die Menschen auch denkend, die ihn in Betrieb halten. Darum haben wir die SBB gerne. Werden wir sie gerne behalten, durchtrainiert und menschenlos? 
 
Mich fasziniert, wie das Selbstverständnis einer Eisenbahn von Menschen für Menschen Uli Huber, den Chefarchitekten der SBB getragen hat. Im Kern die stolze Eigenart der Eisenbahn als öffentliches Werk gestalten. Architekt eines Unternehmens, das – wir vergessen es ab uns zu – uns allen gehört. Ein volkseigener Betrieb. Zuerst als hochrangiger Funktionär im Apparat selbst und seit 20 Jahren dann dem Gedeihen der Eisenbahn in freierem Flug verbunden. Als Architekt, die Gestaltung der Eisenbahn zwischen Solothurn und Bern prägend und den Alptransit. Die Installation dieser Schnellbahn durch die Alpen, halbwegs durch Lötschberg Simplon und ganz durch den Gotthard und bald durch den Ceneri – dieser Bau mit allem drum herum von kleinen Details an Häusern, über Brücken, Portale bis zu den expressiven Kaminen in einsamer Berglandschaft, ist einer der drei Einträge aus der Schweiz auf der Weltkarte der Architektur. Die anderen zwei Einträge übrigens gehören dem Chalet und dem Kurort Davos. 
 
Dass das Projekt Alptransit so gut werden konnte, hat mit uns allen zu tun, die wir für die Millionen Franken stimmten, die Eisenbahn derart auszubauen. Und dass es werden konnte, ist natürlich einer grossen Gruppe von Ingenieuren, Architekten, Planern geschuldet und vielen Arbeitern – Frauen sind in dieser Welt selten. Es hat aber auch zu tun mit Uli Huber. Mich berührt seit dreissig Jahren, wie er als intellektueller Kadermann der Eisenbahn Postur und Form gibt – eine selbstbewusste, starke, eigensinnige Form. Er und die Seinen schenkten ihr grosse Architektur der Bahnhöfe, wuchtiges und eigensinniges Design wie die Lok 2000 und viele Details auch, liebevoll und aufmerksam gemacht, wie die Foulards der Kondukteurs-Frauen. Uli Hubers eindrückliche Leistung, der Eisenbahn Form zu geben, wirkte in die Zeit nach, wo die Eisenbahn meint auf derlei verzichten zu können. Sie wirkt noch heute nach, wo koordiniertes Design und überlegte Architektur neue Verfassungen und weniger Aufmerksamkeit haben. 
 
Der Redner nimmt seine Klarinette und spielt frei improvisierend treppauf und -ab, dem Randulin begegnend, Se otto ore, macchinista variierend. Und endend im Walzer «Pour l’ ange protecteur» in Moll und heiter weiter in Dur zu letzten Worten:
 
Laudator Gantenbein an der Klarinette.

Das ist das Wälzerli für den Ange protecteur. Farbig, üppig, heiter schwebt der Engel in der Wannerhalle des Zürcher Hauptbahnhofs. Kunst für die Eisenbahn, erdacht und geschaffen von Niki de Seint Phalle. Ich schaute neulich auf diese wunderbare Figur, die eines der wichtige Werke aus Uli Hubers SBB-Zeit ziert: Den Umbau des Hauptbahnhofes. Es sind immer viele an guten Entscheiden beteiligt. Ich will hier aber festhalten: Wäre Uli Huber nicht der Architekt gewesen, der er halt ist, würde der Engel nicht an der Decke tanzen, weil es diese nicht gäbe und er also sie nicht zieren könnte. So sass ich neulich beim Bier unter dem Engel und sah, wie der wackere Mocken mit seinem Ermöglicher Walzer tanzte. Denn der Walzer ist der Tanz, der nur miteinander geht. Walzer ist nichts für Solisten. Als Zaungast entlang von Uli Hubers Weg und Werk habe ich gelernt, was es bedeuten kann, wenn der die Künstlerin mit dem Architekten im Kreis sich dreht, oder der Ingenieur mit Uli Huber. Nicht rundherum, sondern vorwärts im Dreiviertel-Takt. In der Tanzschule lernte Ulis Generation seinerzeit, dass nur elegant auf dem Tanzboden bestehen kann, wer führt. Das beherzigte er in seinem Werk als Architekt der Eisenbahn. Auf Augenhöhe als Könner der Schönheit, der den Ingenieur als Magier der Zahl mit ins Rundum nimmt. Und elegant die Kunst an der Hüfte hat. Natürlich – der Zahlenmann kann störrisch tun, wenn man ihm mit Schönheit kommt und wenn der Mann der Kassa noch den Marsch auf diese trommelt, kann der ¾-Tanz ins Stocken kommen. Da brauchte es den sicheren, schon viele Male erprobten Schritt, den entschiedenen und doch behutsamen. Die kräftige Drehung auf dem Absatz, damit nach dem langen, der kurze und noch einmal kurze Schritt zur eleganten Form wird. Und als mit allen Wassern gewaschener Tänzer kam Uli Huber entgegen, dass er den Heavy-Metal-Tanz der Ingenieure ebenso gut kennt wie die virtuosen Hüpftänze der Politikerinnen oder die effizienten Marschschritte der Oekonomen. Und den freien Tanz der Schönheit, den eine seiner Töchtern meisterhaft tanzt. Am Schluss aber drehten sich alle mit ihm im lüfpfigsten Tanztakt, dem ¾ Takt. 
 
Uli, du setzt in diesen Jahren das letzte Visum auf die Pläne der Eisenbahn. Du hast nun Zeit, mit Dora Walzer zu tanzen, Eure Töchter Anna, Susann und Sophie spielen ihn Euch, zeigen ihn Euch vor, müsste das sein. Du drehst Dich, entlastet von Tunnelportalen und Lüftungsschächten, von schwarzen Mauern und Buchstabenschnitten für die angemessene Typografie und vom Problem, wo Engel aufgehängt werden können. Tanzen sei sei gesund für uns älter Werdende, las ich neulich. Viel Vergnügen im Rundum und Vorwärts.
 

 

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