Das Lehrgebäude HIL auf dem Hönggerberg: Sitz des Departements Architektur der ETH. Fotos: Roland zh via Wikimedia Commons

#MeToo an der ETH

Sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch? Steht einem Architekturprofessor ein Entlassungsverfahren bevor? Nun schreibt der SIA einen offenen Brief. Und Hochparterre steckt in einer Kollektivrecherche.

Kurzer Rückblick: Anfangs Jahr kursierte die Liste «Shitty Architecture Men» im Internet. Auf der versammelten Gerüchteküche fanden sich die Namen dreier Professoren des ETH-Architekturdepartements. Wenig später übergabdie Abteilung für Chancengleichheit Vorwürfe gegen einen der drei der ETH-Leitung. Das Stadtmagazin Tsüri machte den Fall erstmals publik. Die ETH begann eine Voruntersuchung. Viel Zeit verstrich und nichts drang nach aussen. Mitte September dann leitete die ETH ein Disziplinarverfahren ein und stellte den Professor frei. Im Oktober berichtete die Wochenzeitung von «Machokultur auf dem Hönggerberg» und swiss-architects legte nach. Seither verstrich weiter Zeit und nichts drang nach aussen. Angeblich könnte der Fall Ende Monat entschieden werden. Wie die Republik berichtete, steht eventuell die erste Kündigung in der 163-jährigen ETH-Geschichte bevor. Das Entlassungsverfahren einer ETH-Astronomieprofessorin läuft bereits. Ein solches könnte auch im Falle des Architekturprofessors beginnen. Bis zum Entscheid gilt die Unschuldsvermutung.

Nun wird auch der SIA aktiv: Heute versendet er einen offenen Brief an den Vorsteher des Architekturdepartements Philip Ursprung und an den Noch-Präsidenten Lino Guzzella. Der Verband sei «in Sorge um das Ansehen unserer Alma Mater» und vermutlich sei der Fall «nur die Spitze eines Eisbergs». Der SIA fordert darum «Transparenz» in Form eines «von einer unabhängigen Stelle erstellten, öffentlich zugänglichen Berichts» zu den Themen «Machtmissbrauch und sexuelle Belästigung». Es bräuchte Anlaufstellen, klare Prozesse und «konsequentes Handeln». Schliesslich fordert der Verband «die Erhöhung der Anzahl Professorinnen am Departement für Architektur», was zum «gleichberechtigten Miteinander» beitrüge. Für all das bietet er Unterstützung an durch sein Kompetenzzentrum «Frau und SIA».

Und was macht Hochparterre? Forschung und Lehre im 21. Jahrhundert heisst nicht bloss HighTech, sondern auch eine faire, offene und transparente Lernumgebung. Von dieser scheint die ETH so weit entfernt wie von modernem Krisenmanagement und entsprechender Kommunikation. Compliance-Papiere reichen nicht, es braucht nun Taten. Wir wollen unseren Beitrag leisten im nötigen Diskurs und stecken mitten in einer kollektiven Recherche zu den Themen Machtmissbrauch, Respektlosigkeit, Mobbing-Unkultur und sexuelle Belästigung – an der ETH, an anderen Fachhochschulen und in der Schweizer Architekturszene. Wir sind spät dran, aber wir sind dran.

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Kommentare

Caroline Fiechter 19.11.2018 12:20
Es ist ein gesellschaftliches Problem. Frauen und Männer haben ein Frauen- und Männerbild, das stereotyp und verkrustet ist. Mit der Opfergeschichte kommen wir nicht wirklich weiter, weil es unser stereotypes Bild von Frauen und Männern weiter unterstützt. Das Leben an der ETH empfand ich als Frau als wenig einschränkend. Was aber danach auf der Baustelle kam, war hart und die Vorbereitung ungenügend.
Sönke 19.11.2018 09:51
Die Diskussion ist noch weit weg vom Kern des Problems. Hauptsache man zeigt mit dem Finger auf etwas. Aber dieses Etwas scheint noch nicht identifiziert zu sein – ist es die fehlende Frauenquote, ist es die verrostete Struktur der ETH oder was denn nun? Ich persönlich weiss es auch nicht. Stattdessen zeige ich mit dem Finger auf die Moralapostel, die Bestürzten und Entsetzten, die nervös immer neue Ungetüme erkennen. Vielleicht liegt das Problem im Paradox, dass Frauen und Männer nicht unterschiedlich sein wollen, aber es doch sind.
Jorge Schwarz 20.11.2018 17:19
Schon die Logik und der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass dies alles erst die Spitze des Skandal-Eisberges bei der ETH sein müsste, denn Menschen benehmen sich halt von Natur aus oft daneben und man weiss auch, dass viel Macht den Charakter der Menschen zusätzlich angreift. Bei den ETH-Professoren kommen sogar diese zwei Risikofaktoren zusammen: Es sind Menschen und haben viel Macht. Dennoch will uns die ETH klar machen, dass in der 163-jährigen Geschichte der ETH noch nie ein Professor oder eine Professorin etwas gemacht hätte, was eine Kündigung begründet hätte? Ja klar... Ich erkenne ein Märchen wenn ich eines höre.
Palle Petersen 19.11.2018 05:50
Liebe/r Name-der-Redaktion bekannt. ;] Zugegeben, Sexismus ist keine Einbahnstrasse und perfide Racheakte ebenso Realität. Also ja: Interessiert uns und melde dich bei mir. Übrigens hat der SIA in seinem offenen Brief durchaus mehr gefordert als mehr Professorinnen. Vor allem «Transparenz», «Untersuchung», «Handeln». Immerhin, oder?
Name der Redaktion bekannt 18.11.2018 22:35
Lieber Palle. Gut und richtig, dass die ETH in diesem so dummen wie peinlichen Fall nun handelt und ihr als Journalisten dran seid. Aber das Argument - mehr Frauen ist die Lösung - hinkt also schon noch gewaltig in seiner Simplizität. Wollt ihr damit sagen, dass Belästigungen seitens Frauen per se nicht vorkommen? Siehe: Asia Argento... Und was ist weiter mit einem anderen ebenfalls bekannten Phänomen, wo falsche (!) Belästigungsvorwürfe dazu missbraucht werden, perfide Racheakte zu verüben? Seid ihr an solchen Geschichten auch interessiert?
Palle Petersen 17.11.2018 11:04
Wir haben einen Chefredaktor und Gründer, eine stellvertretende Chefredaktorin und Blattmacherin, sowie weitere zehn Männer und zehn Frauen, die Beruf und Freizeit gut vereinen. Für mehr Informationen: https://www.hochparterre.ch/nachrichten/ineigenersache/blog/post/detail/30-jahre-hochparterre-in-den-medien/1542105641/ – LGPP
DJ 17.11.2018 05:43
Und wie viele Chefredaktorinnen hat das Hochparterre eigentlich?
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