Der offene Brief wurde von rund 40 Luzerner Architektur- und Kreativschaffenden unterzeichnet.

Junger Widerstand

Das Nein-Komitee zum neuen Luzerner Theater wird breiter – und jünger. Im sogenannten «2. Akt» meldet sich eine Gruppe von rund 40 Luzerner Architektur- und Kreativschaffenden zu Wort. Ihre Argumente.

Am 10. Januar hat das prominente Nein-Komitee zum neuen Luzerner Theater eine Pressekonferenz abgehalten. Dabei wurde ein «2. Akt» angekündigt. Der folgt nun: Letzten Freitag meldete sich eine Gruppe junger Luzerner Architekt*innen zu Wort – wiederum mit einer Nein-Parole zur bevorstehenden Volksabstimmung über den Projektierungskredit am 9. Februar. Der offene Brief wurde von der Redaktion des Luzerner Architekturmagazins ‹Lila Strauss› versandt und von über 40 Architektur- und Kreativschaffenden unterzeichnet.

Ein offenes Haus für alle?
In ihrem offenen Brief würdigt die Gruppe die Grundsatzentscheidung, den bestehenden Theaterbau zu erhalten und zu erweitern. Die Tugend des Bauens im Bestand – oder besser: mit dem Bestand – sei eine durchaus lobenswerte Handlungsweise, die dem heutigen Zeitgeist entspricht, schreibt sie.

Der Luzerner «Theaterbestand» sei aber weit grösser und vielfältiger als der klassizistische Bau an der Reuss. Er bestehe aus verschiedenen Bühnen und Szenen. Das Projekt blende diesen Bestand aus und schlage ein für den Ort immer noch zu grosses, homogenes Raumprogramm vor.

Symbolbild: Der Raum zwischen Theater und Jesuitenkirche soll «verhandelbar» bleiben (Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv).

Hauptkritikpunkt des offenen Briefes: Die Erweiterung beanspruche den heutigen Freiraum zwischen Theater und Jesuitenkirche vollständig. Über die Qualität dieses heutigen Freiraums könne man streiten. Klar sei aber, dass er «frei» und damit verhandelbar sei und von der Öffentlichkeit angeeignet werden könne. Der neue grosse Theatersaal werde im Erdgeschoss auf diesen öffentlichen Raum gesetzt. Dies erlaube der Theatergesellschaft, den «öffentlichen Raum» zu bespielen, schliesse aber gleichzeitig die Öffentlichkeit aus. Ein öffentlicher, verhandelbarer Raum verschwindet und wird durch einen exklusiven Raum ersetzt, für den Eintritt bezahlt werden muss.

Ein Monument für wenige
Ein öffentliches «Haus für alle» an dieser historischen und zentralen Stelle der Stadt soll als Infrastruktur unterschiedlichen Bevölkerungsschichten Räume anbieten, die sich durch «Offenheit», «Verhandelbarkeit», «Adaptierbarkeit» oder «Niederschwelligkeit» auszeichnen. Im Sinne einer «inklusiven Ästhetik» soll ein neues Luzerner Theater den Stadtraum in sich aufnehmen und offen bespielen. Damit ist ein niederschwelliger Kulturort gemeint, der der Luzerner Kulturszene und einem breiten Publikum verhandelbare Räume bietet – abseits des klassischen Theaterprogramms. Dieser städtebauliche Anspruch der Gruppe liest sich wie ein Anspruch an das Theater selbst.

Sonst, so der offene Brief, bleibe das neue Luzerner Theater ein exklusiver Bau. Ein Monument für wenige.

Neuer Zeitgeist
Vor allem zwei Aspekte des offenen Briefs lassen aufhorchen. Erstens: Weiterbauen allein reicht nicht. Während sich noch vor wenigen Jahren kaum ein etabliertes Architekturbüro getraut hätte, entgegen dem Wettbewerbsprogramm den Bestand zu erhalten, taten dies in Luzern gleich mehrere Teams. Und Ilg Santer Architekten haben damit gewonnen. Weiterbauen ist im Mainstream angekommen und neben der unbestrittenen Sinnhaftigkeit auch ein «USP» – ein «unique selling point». Dem scheint die junge Luzerner Gruppe in diesem Fall zu misstrauen. Zwar lässt sie offen, was sie konkret unter verhandelbaren Räumen versteht. Sicher ist aber, dass sie von der Entwicklung des Stadtraums mehr erwartet als nur ein weiteres Kulturdenkmal – auch wenn dieses den bestehenden Theaterbau integriert.

Zweitens: Die Gruppe ist jung. Der Vorwurf, es handle sich bei den Theatergegnern um eine Gruppe älterer Neinsager, ist damit entkräftet. War in der Kommentarspalte zu Stanislaus von Moos‘ Architekturkritik am neuen Theater noch die Verwunderung zu lesen, «wieso sich eine Gruppe von über 80-Jährigen in etwas einmischt, das sie aufgrund ihres Alters gar nicht mehr betrifft», liest sich der Folgesatz nun wie eine Bestätigung: «Die Zukunft gehört den jüngeren Generationen».

Ob die anhaltende Kontroverse das Abstimmungsergebnis beeinflussen wird, bleibt abzuwarten.

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Kommentare

Alexander v. d. Marwitz  03.02.2025 10:46
Städte-Reisen bei Wind und Wetter sind ziemlich kalt/un-cool und teuer, wenn es keine attraktiven, geschützten Stadträume gibt, wo man was sieht, erlebt. Cafés ok, aber nach dem 3.Kaffee…….reicht‘s, oder? Kirchen gäb‘s? Oder Hunde-Pippi-Mättli…….aber als Treffpunkt? Oder gemütlich zum chillen? Basel hat das geschnallt - sein Theater-Foyer ist riesig, und täglich geöffnet. Für JederMensch. Kein Verzehr-Zwang. Und viele gemütliche Plätze auf zahlreichen Ebenen, mit Sesseln, Stühlen, Tischen, Winkeln…….. Da treffen sich Mütter-Väter-Kinder, da hocken Jugendliche dicht bei dicht in einem Eck, fühlen sich genauso wohl wie ältere mit Zeitung und Stadtplan, und wer nur zum Zuschauen kommt, ist gradso willkommen. Ein Foyer zum kommen und gehen und bleiben. Eine grosse Alltags-Bühne, super zum Abmachen, mitten in der Stadt. Offenes Theater ohne Eintritt, mit vielen sauberen Toiletten und Wickelräumen. Und Hotspot und Ladeort für lahme Beine und Handies……. All das und mehr wird im neuen Theater Luzern Platz haben. Eine Mega-Aufwertung für eine der meistbesuchten Städte der Schweiz, und auch für uns, die wir hier wohnen dürfen. Offen, durchgängig, hell und mit Ausblick auf das Seebecken, auf die Reuss, auf die Altstadt. Ein Ort zum Verweilen……wo gibt’s denn das? Bald hier, in Luzern, mittendrin. Kostenlos. Wenn wir wollen. Alexander v. d. Marwitz Luzern
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