Hochparterre-Produzentin Ursula Trümpy wünscht sich weniger Empörung und mehr Differenzierung.

In Stein gemeisselt

Als rassistisch eingestufte Hausinschriften sollen verschwinden. Ein Plädoyer wider Geschichtsvergessenheit und Deutungshoheit – und für die Vernunft.

«Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.» Plötzlich erhält das Schiller-Zitat eine ganz neue Bedeutung und Aktualität. Gemäss Bauentscheid der Stadt Zürich hat der Schriftzug ‹Zum Mohrentanz› an der Niederdorfstrasse 29 ebenso zu verschwinden wie die Steininschrift ‹Zum Mohrenkopf› über dem Türsturz am Neumarkt 13. Sie seien rassistisch und daher nicht tolerierbar, lautet das Urteil des Stadtrats. Noch ist das letzte Wort allerdings nicht gesprochen. Der kantonale und der Stadtzürcher Heimatschutz haben Rekurs eingereicht: Die geplante Abdeckung beschädige den denkmalpflegerischen Wert. Stattdessen sei ihm «durch eine erklärende Schrifttafel Rechnung zu tragen». Stein des Anstosses ist insbesondere das Prozedere, das die Inschriften unkenntlich machen soll. Während die Stadt von einem reversiblen Verfahren spricht, hält der Heimatschutz dagegen. Aufgrund der vollflächigen und daher dichten Abdeckung könnten im Falle einer Entfernung unwiderrufliche Beschädigungen entstehen. Den etymologischen Kontext prüfen Doch es geht um mehr als einen oberflächlichen Eingriff an denkmalgeschützten Gebäuden. Die geplante Massnahme steht symbolhaft für ein diskursives Szenario: Was nicht ins Schema passt, wird entfernt – zum Schweigen gebracht. Die Mauern sollen verstummen. Dabei haben sie etwas zu erzählen. Geschichte. Geschichten. Denn es gibt nicht nur das eine Narrativ. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiss, diskriminierte Mohren und rassistische Privilegierte. So moniert der Zürcher Heimatschutz, dass die Stadt den historischen Zusammenhang «nicht einmal ansatzweise geprüft» habe, und ergänzt: «Die Namen der Häuser erinnern an die frühen Beziehungen zwischen zürcherischen Kaufleuten und Mauren, also zu Kulturen in Nordafrika und im Nahen Osten.» Eine differenzierte etymologische Analyse – die etwa den Bezug zum heiligen Mauritius h...
In Stein gemeisselt

Als rassistisch eingestufte Hausinschriften sollen verschwinden. Ein Plädoyer wider Geschichtsvergessenheit und Deutungshoheit – und für die Vernunft.

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