Das Schulhaus Leutschenbach von Christian Kerez (2009). Fotos: Micha L. Rieser

«Hübsche Häuser erschöpfen sich schnell»

Das preisgekrönte Schulhaus Leutschenbach von Christian Kerez muss mit 8 Millionen nachgebessert werden, denn die Architektur verträgt kein Kindergeschrei. Ist das Experiment gescheitert?

Das Schulhaus Leutschenbach von Christian Kerez wurde mit Preisen überhäuft. Beste Bauten der Stadt Zürich (2011), Daylight Award (2014), Prix Acier (2009) und sogar unser hauseigener Goldener Hase (2009) wurden dem radikalen Entwurf vergeben. Keine Frage, der Bau hat neue Entwurfslösungen etabliert: die offenen Grundrisse, die aussen umlaufenden Fluchtwege und die grosszügigen Erschliessungsflächen, die für verschiedene Lernformate zur Verfügung stehen. Ein grundsätzliches Problem verstärkte sich jedoch zunehmend: In offenen Räumen lassen sich ruhiges Lernen und lautes Austoben nicht vereinen, obwohl beides für Primarschulkinder essenziell ist. Nun muss der 64 Millionen-Bau mit insgesamt 8 Millionen Franken saniert und mit Glastrennwänden akustisch getrennt werden, wie der Tagesanzeiger berichtet. Die Lobrede zum Goldenen Hasen von 2009 ist von kritischen Stimmen durchzogen. So wurde bemängelt, dass es keine Rückzugsmöglichkeiten gebe. «Rückzugsorte müssen entdeckt werden, erkämpft,» behauptete Kerez damals, obwohl Rückzugsorte meist von den weniger Kämpferischen aufgesucht werden. Die Atmosphäre sei zu steril, hiess es ebenfalls, und Kerez gab offen zu, dass das Gebäude nicht sinnlich sei, sondern eine Werkstatt. Weil an den Glaswänden keine Kinderzeichnungen aufgehängt werden können, schafften mobile Stellwände Abhilfe. Die Jury lobte die Radikalität und Kompromisslosigkeit des Baus. Sie stellte zwar die richtigen kritischen Fragen: «Ist konzentriertes Arbeiten umgeben von Glaswänden möglich? Wie finden die Schülerinnen und Schüler visuell und akustisch Ruhe? Fordert die Architektur zu viel von den Menschen?», wertete die Radikalität der Architektur jedoch höher als die Bedürfnisse der Nutzenden. Architektur für Architekten Dieser Entscheid war kein Einzelfall, er war der Normalfall. Der Patriarch entschied, welche architektonische Lösun...
«Hübsche Häuser erschöpfen sich schnell»

Das preisgekrönte Schulhaus Leutschenbach von Christian Kerez muss mit 8 Millionen nachgebessert werden, denn die Architektur verträgt kein Kindergeschrei. Ist das Experiment gescheitert?

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