Einst galten ‹Les Halles› als Bauch von Paris. Dann wurden sie abgebrochen und durch einen S-Bahnhof und ein Einkaufszentrum ersetzt. Das bereitete Bauchschmerzen. Jetzt ist alles neu. Ist es auch besser?
Hubers Bildschirmreisen – #9: Bauchschmerzen in Paris
Einst galten ‹Les Halles› als Bauch von Paris. Dann wurden sie abgebrochen und durch einen S-Bahnhof und ein Einkaufszentrum ersetzt. Das bereitete Bauchschmerzen. Jetzt ist alles neu. Ist es auch besser?
Fotos: Werner Huber
‹Châtelet – Les Halles›: Die meisten Deutschschweizer scheitern schon bei der Aussprache, wenn sie ‹Les Halles› elegant und scheinbar gekonnt zu «Lesall» koppeln – und dabei das ‹H aspiré›, das gehauchte H, einfach ignorieren. Gehaucht wird das H zwar längst nicht mehr, ihre Eigenständigkeit haben die Wörter jedoch bewahrt: «Le All». Doch die Aussprache ist bei ‹Châtelet – Les Halles› noch das kleinste Übel. Viel schwieriger ist es, sich in dem mit täglich bis zu 800'000 Passgieren (in Nicht-Corona-Zeiten) europaweit grössten Umsteigeknoten des öffentlichen Verkehrs mitten in Paris nicht zu verlieren. ###Media_2###
Das eigentliche Problem bei ‹Châtelet – Les Halles› ist ein anderes, grundsätzlicheres und tieferliegendes im eigentlichen Sinn: Fünf Geschosse tief greift die Anlage in den Pariser Boden, drei Geschosse ragt sie in die Pariser Luft – und macht seit vierzig Jahren niemanden wirklich glücklich. Den Historikern, vielen Stadtplanern und Architekten bereitet dieser riesige Eisberg aus Beton, Stahl und Glas permanente Bauchschmerzen. Der Stadtkörper von Paris leidet seit fünfzig Jahren unter Phantomschmerzen. ###Media_3###
‹Le Ventre de Paris› heisst der Roman, den Émile Zola 1873 publizierte, und dessen Handlung sich grösstenteils in den Markthallen abspielt, die – darum ‹Der Bauch von Paris› – die Stadt als Engros-Markt mit Lebensmitteln versorgten und einem Stadtquartier den Namen gaben. Nach Plänen von Victor Baltard entstanden ab 1852 zehn Pavillons aus Eisen und Glas, 1936 folgten zwei weitere. 1960 beschloss Präsident Charles de Gaulle, den Markt nach Rungis südlich von Paris zu verlegen. Neun Jahre später nahm dieser den Betrieb auf, und ab 1971 fuhren bei den Hallen von Baltard die Abbruchmaschinen auf. Proteste gegen die Zerstörung der eindrücklichen Hallenbauten gab es zwar, doch waren sie in der for...
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