Vom ‹Audienzzimmer des Doktor Binswanger› aus fällt der Blick auf ‹Das kleine Glasportal›. Die Arbeiten zeigen Räume der Psychiatrischen Anstalt Kreuzlingen . Fotos: Federico Sette

Erinnerungsorte und Doppelgänger

Die Ausstellung ‹Metamorphosen II› im Muzeum Susch zeigt Werke der Schweizer Künstlerin Heidi Bucher, die sich mit architektonischen Innenräumen befassen.

Kunst und Architektur sind in der Regel zweierlei Dinge. Nicht bei Heidi Bucher. Ein wichtiger Teil ihres Werks befasst sich mit architektonischen Innenräumen, genauer gesagt: mit der Schaffung von Raumdoppelgängern. Die Schweizer Künstlerin (1926—1993) stellte die Vorstellung von Raum als tote Materie radikal in Frage. Für ihre «Raumhäutungen», die sie ab 1978 vornahm, überzog sie Wände mit flüssigem Latex und Gaze. Danach löste sie die eingetrocknete «Haut» von den Oberflächen. ###Media_2### Das Muzeum Susch zeigt auch eine Videoaufnahme einer Raumhäutungsszene. Das ist nötig, um die ausgestellten Arbeiten vollumfänglich zu verstehen. Eine Häutung war physisch sehr anstrengend – was sich auch am Geräusch des sich langsam lösenden Materials ablesen lässt – und Teil der Botschaft, die Bucher übermitteln wollte. Es ging ihr um eine Aneignung von Räumen, was sie betonte, indem sie sich in die «Häute» einwickelte. Zugleich war diese Performance ein Akt der Befreiung, ein Ausbrechen aus der Starrheit, die die Architektur – primär in gesellschaftlicher Hinsicht – verkörperte. Heidi Bucher wählte die Schauplätze ihrer Aktionen bewusst aus. Die Arbeit ‹Herrenzimmer› etwa stammt aus ihrem Elternhaus in Winterthur, das Zimmer war ihrem Vater vorbehalten. Die Künstlerin entriss den Raum ihrer Kindheit dem Vergessen und machte damit Verdrängtes sichtbar. ###Media_1### Heidi Bucher schöpfte nicht nur aus ihrer Biografie. 1988 suchte sie das leer stehende Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen auf. Das ehemalige «Irrenhaus» wurde durch seinen Direktor Ludwig Binswanger bekannt, der dort «Hysteriepatientinnen» behandelte. Die Werke ‹Kleines Glasportal› und ‹Das Audienzzimmer des Doktor Binswanger› sind im grossen Ausstellungssaal zu sehen. Die weichen Latexarchitekturen hängen von der Decke und sehen aus wie Gespenster – oder wie eine ver...
Erinnerungsorte und Doppelgänger

Die Ausstellung ‹Metamorphosen II› im Muzeum Susch zeigt Werke der Schweizer Künstlerin Heidi Bucher, die sich mit architektonischen Innenräumen befassen.

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