Das Lehrgebäude HIL auf dem Hönggerberg: Sitz des Departements Architektur der ETH. (Fotos: Roland zh via Wikimedia Commons)

Ein goldener Fallschirm?

Der wegen sexueller Belästigung beschuldigte Architekturprofessor verlässt die ETH – freiwillig. Die Hintergründe lesen Sie bald im ersten Teil des ‹ETH-Reports›.

Seit bald neun Monaten ist der Fall nun in den Medien. Heute teilt die ETH mit: Der Architekturprofessor, gegen den ein Disziplinarverfahren wegen sexueller Belästigung lief (Hochparterre berichtete im Artikel ‹#MeToo an der ETH›), kündigt per Ende Juli 2019.

In der Medienmitteilung heisst es: Die Untersuchung «entlastet den Professor vom Vorwurf sexueller Belästigung. Der Untersuchungsführer kommt zum Schluss, dass der Professor es versäumt hat, seine persönlichen und beruflichen Beziehungen adäquat zu trennen, weshalb sein Verhalten nicht im Einklang mit dem Compliance Guide der ETH Zürich sei.» Der betroffene Professor verlasse die Hochschule «aufgrund der langen Verfahrensdauer und der damit verbundenen persönlichen und beruflichen Belastung», um sich «neuen Herausforderung zu stellen». Bis dahin ist er von seiner Lehrtätigkeit entbunden, «damit er sich vollumfänglich dem Abschluss seiner Forschungsprojekte widmen kann».

In einem begleitenden Interview mit dem neuen ETH-Präsidenten Joël Mesot spricht dieser von der Idee «obligatorischer Führungs- und Personalentwicklung für Professorinnen und Professoren». Noch vor zwei Wochen hatte er in der NZZ am Sonntag von freiwilligen Führungskursen gesprochen. Heute sagt er, man diskutiere ausserdem «ob wir eine externe, unabhängige Meldestelle für sexuelle Belästigung einrichten wollen». Er betont, «dass wir von wenigen Einzelfällen sprechen», die Hochschule den Fall aber zum Anlass nehme, «die bestehenden Prozesse und Regeln zu überdenken und zu verbessern».

Der Abschluss des Verfahrens stellt viele Fragen: Was war los am Lehrstuhl? Ist der Entscheid gerechtfertigt oder ein goldener Fallschirm? Wie angemessen und professionell sind die Strukturen der ETH, um mit Machtmissbrauch umzugehen? Handelt es sich wirklich um Einzelfälle? Ist ein Kulturwandel nötig?

Seit mehreren Monaten recherchieren wir Macht- und Geschlechterfragen an der ETH. In Kürze publizieren wir den ersten Teil des ‹ETH-Reports›.

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Kommentare

Markus Brändle-Ströh 30.01.2019 17:55
Kommentar zur ETH-Medienmitteilung vom 29.01.2019: „Abschluss der Disziplinaruntersuchung“ Inhalt und Stil dieser Medienmitteilung erinnern an aktuelle Verlautbarungen aus bischöflichen Sekretariaten oder an Kommuniqués aus dem damaligen Zentralkomitee der KPdSU. Die Mitteilung streut Sand in die Augen und Ohren von interessierten Steuerzahlern; sie bietet wenig Antworten und wirft viele Fragen auf – zum Beispiel: • Belege zur Qualifikation und Unabhängigkeit des sog. „Untersuchungsführers“ • Welche Grundregeln des Compliance-Guide und welche Erfordernisse der zentralen Erlasse der Governance der ETH Zürich wurden (a) eingeklagt, (b) untersucht und (c) nachweislich verletzt? • Wie ist die Untersuchung methodisch-wissenschaftlich durchgeführt worden? • Der betroffene Professor hat, wie es heisst, gelitten unter „der langen Verfahrensdauer und der damit verbundenen persönlichen und beruflichen Belastung“. Warum fehlen Hinweise zum Befinden und zur Belastung der klagenden Personen (anscheinend vor allem Frauen)? Gibt es in diesem Zusammenhang Gesten des Bedauerns von Seite des Professors bzw. Gesten der „Wiedergutmachung“ gegenüber den Klagenden? • Der betroffene Professor tritt per Ende Juli 2019 von seinem Amt zurück. Bis dahin ist er von der Lehrtätigkeit entbunden. Erfolgte dies auf seinen eigenen Wunsch hin, oder ist dies eine „Sanktion“ des Untersuchungsführers? Ist damit eine Lohnkürzung verbunden oder erfolgt die Freistellung unter der vollen Besitzstandwahrung? Dr. Markus Brändle Häldelistrasse 6 8712 Stäfa
Roger 29.01.2019 23:49
@Karina, es ist gerade ein Zeichen für einen funktionierenden Rechtstaat, dass die Unschuldsvermutung galt, der Namen nicht durch die Medien getrieben wurde. Im Nachhinein wo die Unschuld erwiesen ist, sowieso. In den USA wo metoo herkommt, richten nämlich nicht mehr Richter und Rechtsstaat, sondern Furien in den sozialen Medien. Willkür und Lynchmob wollen wir hier in der Schweiz und an der ETH nicht, mit Souveränität wie du sagst hat solches metoo-Gebaren nämlich nichts zu tun.
Karina 29.01.2019 21:41
Auf den Report bin ich extrem gespannt, denn hinter den Kulissen ist der Fall wesentlich komplexer als in den Medien bekannt. So einfach wie im ersten Kommentar von Sabine angededet ist es halt nicht.. und solche Themen sollten in dem #Metoo Zeitalter von der ETH einfach souveräer angegangen werden. Es ist traurig dass eine Institution wie die ETH keine Anlaufstelle für Missbrauch/Belästigungs Themen hat. Vor allem interresiert mich ob die Untersuchung vom Vorwurf des Macht-Missbrauchs auch einfach von der ETH unter dem Teppich gekehrt wird. Es ist erstaunlich dass der Professor es geschafft hat seinen Namen aus der Presse zu halten, obwohl jeder in den Architekturkreisen weiss wer gemeint ist. Ich will gar nicht wissen wie hoch die Dunkelziffer der Belästigungsopfer ist.
Sabine 29.01.2019 21:18
"In der Medienmitteilung heisst es: Die Untersuchung entlastet den Professor vom Vorwurf sexueller Belästigung." Voilà. Damit wäre die Sache gerichtlich geklärt. Jetzt können die enttäuschten Medien noch versuchen, dem Freigesprochenen Schlamm hintennach zu werfen, wie das journalistisch/metoo-konform Brauch ist.
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