Die belgische Kunsthistorikerin Ilse Ghekiere hat das Architekturdepartement der ETH auf Missstände untersucht. Ein Gespräch über veraltete Didaktik, die Macht weisser Männer und allzu schöne Häuser.
«Die übertrieben harte Arbeitskultur raubt der Branche viele fähige Menschen»
Die belgische Kunsthistorikerin Ilse Ghekiere hat das Architekturdepartement der ETH auf Missstände untersucht. Ein Gespräch über veraltete Didaktik, die Macht weisser Männer und allzu schöne Häuser.
Angenommen, Sie und Ihr Team wären Ärztinnen und das Zürcher Architekturdepartement Ihr kranker Patient. Können Sie damit etwas anfangen?
Ilse Ghekiere: Natürlich. Wir wurden vom Departement beauftragt, Probleme zu untersuchen, die in der institutionellen Landschaft der Künste allgegenwärtig sind: Parity und Diversity, Sexismus und Machtmissbrauch, Überarbeitung und mentale Überlastung, veraltete Lehrinhalte und Methoden, schwache Führungsstrukturen. Das sind Symptome einer weitverbreiteten institutionellen Malaise.
Immerhin anerkennt diese Patientin ihre Krankheit und legt sich auf eure Couch. Das zeigt ein Bewusstsein für die Probleme und den Willen zur Veränderung.
Tatsächlich wurden wir zum ersten Mal formell eingeladen, bezahlt und von ganz oben unterstützt. Unsere Initiative ‹Engagement Arts› wird direkt vom Staat Belgien finanziert. In der Regel sind die Patienten ignorant, und wir sind regelrecht unerwünscht; uns laden nahestehende Besorgte ein. Von über zwei Dutzend Institutionen ist uns bisher keine auch nur annähernd so offen und vertrauensvoll begegnet wie das D-ARCH.
Eine Timingfrage? Immerhin ist in den vergangenen Jahren einiges passiert: 2016 die ersten Parity Talks über Chancengleichheit. Eine Berufungswelle, die zehn Männern ordentliche Professuren verschaffte und Frauen bloss befristete Positionen. Und 2018 der Skandal um einen übergriffigen und mobbenden Professor, was dem Diskurs über Diversity eine neue Dringlichkeit brachte. Auch in Zürich vergingen Jahre, bis man nicht mehr darüber sprechen musste, ob es überhaupt Probleme gibt.
Dann ist die Traumaverarbeitung hier weiter fortgeschritten. Vielleicht steckt das Departement sogar schon im Heilungsprozess. Als wir Anfang 2021 kamen, waren die Parity Talks keine kleine Randveranstaltung mehr. Die Parity-Diversity-Kommission mischte sich in das institutionelle Regelwerk und in die Beruf...
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