Der vierte Imperativ

Die Klimakrise verlangt ein neues Bauen – und das Denken in Kreisläufen wird unumgänglich. Muss sich das Selbstverständnis der Architektur deshalb grundlegend wandeln?

Fotos: Charles Bueb (Weiterverwendung untersagt)

Die Klimakrise verlangt ein neues Bauen – und das Denken in Kreisläufen wird unumgänglich. Muss sich das Selbstverständnis der Architektur deshalb grundlegend wandeln?

Es sind bedenkenswerte Zahlen: Die Schweizer Wohnbevölkerung wird laut Bundesamt für Statistik in den nächsten 30 Jahren um etwa 1,8 Millionen Menschen anwachsen – ein Plus von gut 20 Prozent. Vornehmlich aus Gründen der Altersstruktur wird auch der durchschnittliche Wohnflächenbedarf ansteigen. Selbst wenn es gelingen sollte, den Raumbedarf auf dem heutigen Stand von 47 Quadratmetern pro Person einzufrieren, werden wir bis 2050 also 85 Millionen Quadratmeter mehr Wohnfläche benötigen, um alle Menschen unterbringen zu können. In den nächsten zehn Jahren wären das gut 28 Millionen Quadratmeter. Grob umgerechnet auf die heute durchschnittliche Wohnungsgrösse von gut 100 Quadratmetern, erhalten wir die beeindruckende Zahl von 280 000 zusätzlich erforderlichen Wohnungen in den nächsten zehn Jahren.   Sicher: Neue suffiziente Wohnformen tragen dazu bei, den Flächenbedarf zu senken. Über ein Neubau-Moratorium zu diskutieren, wie es der ‹Climate Action Plan› der Schweizer Klimastreik-Bewegung verlangt, ist dennoch nicht besonders zielführend – es sei denn, man vertreibe alle Senioren aus ihren zu gross gewordenen Wohnungen und Häusern, schliesse die Grenzen und betrachte die Klimakrise als nationales Problem. Anders formuliert: Es kann nicht darum gehen, überhaupt nicht mehr zu bauen. Es muss darum gehen, das Bauen neu zu denken.  Die neue Kategorie in der Architektur Die Relevanz der ökologischen Herausforderungen wird zu einer Wandlung der Architektur oder genauer: ihrer Selbstdefinition führen. Zu den drei klassischen, von Vitruv formulierten Anforderungen an die Architektur – firmitas, utilitas, venustas – wird ein vierter Imperativ hinzutreten müssen. In schöner lateinischer Tradition liesse er sich parcitas, also Sparsamkeit, nennen: Sparsamkeit hinsichtlich Energie und Materialien. Die logische Entsprechung dieser Sparsamkeit wäre das Denken...

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