Axonometrie des städtebaulichen Vorschlags von Studio Märkli, das in der Charrette als Grundlage für die weitere Planung gewählt wurde.

Von der Charrette zum Pitch

Die Immobilieninvestorin Pensimo startet beim Bahnhof Regensdorf ein weiteres experimentelles Wettbewerbsverfahren: Der Suffizienzpitch soll «die Grenzen des preiswerten Mietwohnungsbaus ausloten».

Charrette? Charrette!, hiess es vor einem Jahr, als die Immobilieninvestorin Pensimo Management ein neues Konkurrenzverfahren erfand. Die Charrette hatte zum Ziel, das 3,6 Hektar grosse Gelände «ZHWatt» direkt beim Bahnhof Regensdorf städtebaulich zu verbessern. Ein Gestaltungsplan existierte, die Vorschläge der Charrette sollten ihn hinterfragen, verfeinern – städtebaulich und architektonisch ausmalen. Das Verfahren bestand aus einer Prä-Präqualifikation, einem zweitägigen Workshop mit 20 Teams und schliesslich einem Studienauftrag an fünf Ausgewählte. Das Neuartige stiess auf Sympathie, wurde aber auch kontrovers diskutiert, unter anderem am letzten Wettbewerbsquartett. Im Bericht in hochparterre.wettbewerbe 4/2018 kritisierten manche, die Ausschreibung sei zu vage, der Aufwand zu hoch, die am Workshop abgelieferten Ideen nicht bezahlt gewesen.

Nun legt Pensimo am selben Standort mit einem zweiten experimentellen Wettbewerb nach, dem «Suffizienzpitch» für ein Wohngebäude. Auftraggeberin ist die Anlagestiftung Adimora, die in günstige Neubauten investiert. Der Suffizienzpitch soll «die Grenzen des preiswerten Mietwohnungsbaus ausloten», schreibt Pensimo. Suffizienz meint die Reduktion der Ansprüche: «Die Wohnungen sollen auf das absolut Nötige reduziert werden», allerdings «ohne Einbussen bei der Wohnqualität.» Zum absolut Nötigen zählt die Ausschreibung Kochen, essen, Gäste bewirten, Lesen, TV, schlafen für zwei Menschen, Körperpflege – und einen direkt aus der Wohnung erschlossenen, privaten Aussenraum. Einzuhalten gilt es auch: Kein Untergeschoss, Low-Tech-Gebäudetechnik und lichte Raumhöhe nicht unter 2,5 Metern. Weitere Vorgaben, etwa zu Quadratmetern oder Zimmerzahl, macht die Ausschreibung nicht. Die Teams müssen mindestens einem Architektur- oder Planungsbüro und einer Unternehmung für die «schlüsselfertige Realisierung» bestehen. Beurteilt wird nach den Kriterien Erstellungskosten, Funktionalität, Nutzungsqualität, Anmutung, Multiplizierbarkeit und Primärenergiebilanz.

Nach der Charrette sucht auch der Suffizienzpitch das Ungewöhnliche: «Experimente jeglicher Art in kontrollierbarem Umfang sind willkommen». Der Pitch-Begriff stammt aus der Werbung und wird in der Architektur bisher nicht verwendet. Er klingt locker und informell, wohl um sich von nach festen Regeln abgesteckten Verfahren abzuheben und das Experimentelle zu unterstreichen. Kein SIA prüft die Vorgaben, mitmachen erfolgt auf eigene Gefahr. Gefragt ist Entwurfs- ebenso wie Denkarbeit für Nachhaltigkeit oder eben Suffizienz: Soviel wie nötig, so wenig wie möglich Material und Ausstattung. Kostentreiber sind hier aber häufig gesetzliche Vorgaben – zu Feuer und Lärm, zu Zugänglichkeit, zu Energie, Erdbeben und so fort – und diese lassen sich nicht umgehen. Wo liegen über diesem praktisch fixen Kostenblock also noch Spielräume, um steigende Mieten zu vermeiden – ohne in Banalität und Billigkeit abzugleiten? Wir sind gespannt.

Wer sorgt für bezahlbaren Wohnraum zu welchen Bedingungen? Im Unterschied zu den gemeinnützigen Bauträgern, die ihn nach gesetzlichen Regeln erstellen, tastet Pensimo sich mit eigenen, marktwirtschaftlichen Projekten voran – und ortet ein genügend grosses Publikum dafür, selbst oder gerade am Standort Regensdorf. Junge und Alte, solche, die nicht mehr bezahlen können und solche, die nicht mehr bezahlen wollen.

Im Nachgang zur Charrette übrigens wird handfest geplant. Zurzeit entstehen verschiedene Vorprojekte auf dem ZHWatt-Areal: Von ADP Architekten für einen Gewerbebau und vom Studio Märkli für zwei Wohngebäude, darunter das eine der beiden im Gestaltungsplan festgesetzten Hochhäuser. Für die Projektierung des zweiten Hochhauses läuft gerade der Studienauftrag unter sechs Architekturbüros - nach konventionellem Muster.

Aktualisiert am 6.6.2019

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Kommentare

Max Walter 12.06.2019 14:37
ICH HABE TATSÄCHLICH ETWAS FALSCH VERSTANDEN !!! Offenbar habe ich den Artikel etwas falsch verstanden und deshalb so heftig reagiert. Aufgrund des offenen Austauschs mit den Verantwortlichen Investoren kann ich feststellen, dass es nicht einfach darum geht, billigen Wohnraum zu erstellen, sondern ein spannendes Projekt zu realisieren, das keine negativen Auswirkungen auf die Gemeinde haben wird. Die Philosophie wurde hier in keiner Art und Weise geändert, sondern weiterentwickelt und wird Regensdorf helfen, sich als attraktive, innovative und zukunftgerichtete Gemeinde weiter zu enwickeln. Gute Arbeit kann ich da nun nur noch sagen!
Max Walter 07.06.2019 23:38
Als Verantwortlicher für die Entwicklng der Gemeinde, bin ich mit diesen Vorgaben nicht gerade glücklich. Wir haben eigentlich immer zum Ziel gehabt, hier, an dieser einmaligen Lage hochwertige Bauten zu erstellen, um nicht Leute anzuziehen, die zu wenig zu einem gesunden Steuersubstrat beitragen. Ich war der Meinung, dass hier Einigkeit mit den Invesoren herrscht. Schade, wenn die Philosophie nun plötzlich so geändert und die Gemeinde damit abgestraft wird. Ich hoffe, dass ich da was falsch verstanden habe.
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