Fragen stellen, statt Bilder zeigen: Der Auftritt von Graser Architekten ist nachhaltig.

Tausend Bilder und ein verblüffendes Modell

An der «Architektur 0.12» in Zürich präsentieren sich 70 Schweizer Architekten. Die meisten versuchen mit Hochglanzfotos zu beeindrucken. Nur wenige gehen dank einer cleveren Inszenierung nicht unter in der Bilderflut.

An der Werkschau «Architektur 0.12» in der Maag Halle in Zürich präsentieren sich die Schweizer Architekten dieser Tage erstmals einem breiten Publikum. Viele Büros, die Rang und Namen haben, sind unter den 70 Teilnehmern. Auf einem langen Styroporklotz haben sie Platz, um ihre Arbeiten in Szene zu setzen und vielleicht gar den ein oder anderen Auftrag zu angeln. Doch die meisten Architekten trauen den Besuchern nicht viel zu. Sie präsentieren sich mit drei grossen oder Dutzenden kleinen Fotografien ihrer Bauten. Nur wenige nutzen den Platz, um ein Modell zu bauen. Pläne sucht man oft vergeblich. Auch Materialien zum Anfassen gibt es kaum. So wandert man entlang der Kuben durch die Halle und wirft den Blick über die Projekte. Nach 70 Ständen kann man sich kaum an eines erinnern. Doch zwischen all den Fototischen findet man auch Auftritte, die etwas wagen und es so aus der Masse ins Gedächtnis schaffen. Fontana Landschaftsarchitekten türmen einen Berg Postkarten zum Mitnehmen auf. So bleibt wenigstens ein Bild haften. Tom Strala regt mit seinen Fotomontagen zum Denken an, wenn er ein Häuschen auf den Prime Tower setzt. Und bei Holzer Kobler kann man verschnaufen. Sie inszenieren ein Sofa, auf dem jedes Kissen ein Projekt zeigt.

Der spannendste Beitrag kommt von Graser Architekten. Sie widersetzen sich dem Konzept der Schau und verzichten komplett auf eigene Projekte und Bilder. Stattdessen präsentieren sie Volumenmodelle verschiedener Stadttypen, von der Hüslisiedlung über ein Altstadtquartier bis zum Hochhausviertel. Die Grundfläche und der Massstab bleiben immer gleich. Verblüffend zeigen sie so den unterschiedlichen Landverschleiss. Seinen Lieblingstyp kann jeder Besucher mit einem Fähnchen markieren. Je nach Alter hat dieses eine andere Farbe. So machen die Architekten eine statistische Erhebung. Am Ende der Schau wird man sehen, welche Stadtform bei welcher Altersgruppe am beliebtesten ist. Statt sich ziellos dem Bilderrausch hinzugeben, ist der Besucher hier zum Nachdenken aufgefordert. Während er sein Fähnchen steckt, fragt er sich: Welche Auswirkung hat meine Wohnform auf die Zersiedelung? Ist mein Minergie-Hüsli wirklich nachhaltig? Welche Art von Stadt entsteht durch meine Architekturwünsche? Ein gutes Modell sagt eben mehr als tausend Bilder.

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