Das Haus «Solaris» steht gegenüber der Roten Fabrik in Zürich. Fotos: Beat Bühler

«Photovoltaik ist besser, als man denkt»

Am Montag lancierten Hochparterre und EnergieSchweiz ihre Heftreihe für Solararchitektur. Das solare Architekturzeitalter ist angebrochen.

2018 wird das Jahr der Sonne, denn Hochparterre und EnergieSchweiz lancieren eine Heftreihe zur Solararchitektur. Die Zahlen sprechen dafür. «In den letzten zehn Jahren sind die PV-Module zehn Mal günstiger und zwei Mal effizienter geworden», erklärte Stephen Wittkopf von der HSLU an der Heftvernissage am Montag in Zürich. Eine PV-Hülle sei heute schon günstiger als eine hochwertige Steinfassade. «Und die Entwicklung wird weitergehen.» Auch im Ausdruck verschieben sich die Grenzen des Möglichen. Das Trägerglas kann beschichtet, bedruckt, satiniert, sandgestrahlt oder profiliert werden. Die Behandlung reduziert den Leistungsgrad um rund 20 Prozent, so Wittkopf. Sein Motto: «Wir wollen schön viel Strom produzieren.»

Die Zeiten, als PV nach PV aussah, sind also vorbei. Das zeigt auch das Solarhaus, das Huggenbergerfries Architekten gegenüber der Roten Fabrik in Zürich gebaut haben. Blaurotschwarz schillert das gläserne PV-Kleid. Die Architektin Astrid Staufer will ihren Beruf allerdings nicht auf die Oberfläche reduzieren. Überhaupt sei das Gebäude ein Glashaus und kein Solarhaus. «Wir können nicht überall solche homogene Findlinge hinstellen», so Staufer. «Das wäre das falsche Signal.» Die Energiefrage müsse man im grossen Rahmen diskutieren. Soll der Effizienzgrad wirklich wegen der Schönheit leiden? «Das tut natürlich weh», gab Patrick Kutschera von EnergieSchweiz zu. «Aber lieber weniger Wirkungsgrad als gar keine PV.» Ein Grossteil der Anlagen in der Schweiz sei ohnehin integriert, also nicht sichtbar. «Das Haus sollte nicht in die Öko-Ecke gedrängt werden», erklärte der Architekt Adrian Berger die Fassade. Sie hätten das Haus aus dem Kontext entwickelt, darum gilt: An einem anderen Ort braucht es eine andere Lösung.

Architekten: Vom Verhinderer zum Treiber
Trotz der Skepsis: Das Solarhaus weckt bei Astrid Staufer die Lust am Thema. «Wir müssen uns aus dem Würgegriff der Technik befreien.» Kutschera kann nur begrüssen, wenn die Architektenzunft «vom Verhinderer zum Treiber wird». Auch Wittkopf betonte: «Die Architekten müssen mehr Baukultur mit Technik fordern.» Gerade in der Schweiz, wo es so viele PV-Pioniere gäbe, insbesondere an der EPFL. Bei EnergieSchweiz ist das Zürcher Solarhaus allerdings abgeblitzt. Es erhielt keine Förderung, weil es bauphysikalisch wenig sinnvoll sei und weil es als Unikat keinen Multiplikationsfaktor habe. «Dabei weiss dass Bundesamt für Energie, dass PV auch eine gestalterische Herausforderung ist», so Wittkopf. Für Adrian Berger ist die Förderung zudem ungenügend, weil man keinen anständigen Preis für den Strom erhalte. «Wir brauchen alle Häuser als Kraftwerke.»

Das Publikum war sich trotz allem einig, dass das solare Architekturzeitalter angebrochen ist. «Es geht nicht, deshalb wollen wir nicht: Das ist seit heute Abend kein Argument mehr», meinte der Architekt Andreas Hofer. Auch Stadtrat André Odermatt sieht «keinen Widerspruch zwischen Technik und Kreativität». Und für Wittkopf ist klar: «Viele sind schlicht falsch informiert.» Die graue Energie eines Standard-Dach-PV-Elements beispielsweise sei bereits nach drei Jahren amortisiert. «Photovoltaik ist besser, als man denkt.»

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Kommentare

Christian Roeske, sundesign 22.01.2018 14:26
Der ökologische Fussabdruck dieser PV-Gebäudehülle ist hinreichend im Rahmen eines Forschungsprojektes des SNF untersucht worden. Grundsätzlich ist der energetische Impact dieses Systems mit konventionellen PV-Standardsystemen vergleichbar. Auch die ungünstig orientierten Flächen weisen eine positive Energiebilanz auf. Es ist korrekt, dass mit einer Beteiligung an einer PV-Produktionsgemeinschaft auf einem einfachen Flachdach zur Zeit wirtschaftlichere Lösungen möglich wären. Die Ziele der ES2050 erfordern jedoch, dass alle potentiellen Flächen bis 2035-2050 am Gebäude erschlossen werden und dieses Projekt zeigt wie das gehen kann.
Daniel Finsler 22.01.2018 11:25
#huggenbergerfries haben sich lobenswert angestrengt, eine besonders ‚schöne‘ Gussglas Fassade zu realisieren. Das okaye Resultat löst dennoch kein Glücksgefühl aus. Der Ökologische Aspekt dieses ‚grünen Mantels‘ könnte Alibi für hohen Aufwand sein: Der Eigenstrombedarf ist zwar gedeckt, aber nur, weil das Netz Sommerüberschuss und Winterbedarf puffert. Kosten- und Ökobilanz des Generators bzw. des Projekts werden leider nicht angesprochen. Möglicherweise ist dieser eigene Strom teuer und dessen CO2 Bilanz nicht überzeugend. Allenfalls auch nicht diejenige des gesamten Projekts. Denkbar auch, dass eine konventionelle Fassade, ergänzt mit Ökostrom-Produktionsgemeinschaft-Anteilen, günstiger und ebenso geschmackvoll wäre: Nicht jede Elektro Insel macht Sinn. Die gestalterische Eingliederung in die Nachbarschaft ist halt naja… eine perfekte, gläserne Erscheinung und spiegelt die nunmehr hochklassige Lage des zusehends ‚seefeldisierten‘ Quartiers.
Andreas Konrad 21.01.2018 22:23
Photovoltaik ist nicht nur besser, sondern auch längst weiter, als man denkt. Man müsste einfach mal wieder nach Kalifornien schauen. Dort zeigt Musk mit der Leichtigkeit der Westküste, wie grün Häuser zukünftig aussehen müssen: Gar nicht. Die Schweiz legt im Moment noch eine behäbige Angestrengtheit beim Thema an den Tag: Alles sieht überinszeniert und ein wenig plump aus. «Seht her, ich bin ein Minergie -Haus und daher besser!» brüllt es von den wenig sensibel gestalteten Klötzlis. Doch Photovoltaik ist keine Religion, sondern schlicht die Zukunft. Sie soll Leute nicht bekehren, sondern Strom liefern. Und das möglichst elegant und unauffällig. Mehr hier: https://www.tesla.com/de_CH/solarroof
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