Herbst 2006: Abbruch des Hotels «Rossija» Fotos: Werner Huber

Parlament statt «Rossija»?

Mit 3400 Zimmern und 5886 Betten war das «Rossija» in Moskau bei seiner Eröffnung 1969 das grösste Hotel weltweit. 2006 wurde der Hotelkomplex abgebrochen. Nun soll hier ein Parlamentszentrum entstehen.

Mit 3400 Zimmern und 5886 Betten war das «Rossija» in Moskau bei seiner Eröffnung 1969 das grösste Hotel weltweit. Direkt neben dem Kreml gelegen war es zunächst für offizielle Delegationen und den Luxustourismus reserviert. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und einer Renovierung erlebte es gegen Ende der Neunzigerjahre eine Renaissance als relativ preisgünstige Touristenunterkunft. Doch 2006 wurde der Hotelkomplex abgebrochen, denn an seiner Stelle sollte eine Überbauung nach Plänen von Norman Foster entstehen. Nach einem Rekurs der unterlegenen Partei wurde der Landhandel jedoch annulliert - Investor Schalwa Tschigirinskij hatte das Grundstück zu einem Spottpreis gekauft. Das Land fiel zurück an die Stadt, und die zuvor hervorragenden Beziehungen Tschigirinskijs zur Baulöwin und Ehefrau von Bürgermeister Lushkow, Elena Baturina, waren ruiniert.


Nun geht der Knatsch ums «Rossija» - oder vielmehr um die Brache an seiner Stelle - in eine weitere Runde, wie die «Moscow Times» heute berichtet: An der Stelle des ehemaligen Hotelkomplexes soll ein Parlamentszentrum entstehen. Darin sollen beide Kammern des Parlaments - die Duma (Unterhaus) und der Föderationsrat (Oberhaus) - ihren Sitz erhalten. Zurzeit logiert die Duma im ehemaligen Gebäude der sowjetischen Planungsbehörde «Gosplan», der Föderationsrat ist auf mehrere Standorte verteilt. Die Ideen für ein Parlamentszentrum auf dem «Rossija»-Grundstück sind nicht ganz neu, scheiterten aber am Widerstand des ehemaligen Bürgermeisters, der das Grundstück nicht an den Staat abgeben wollte. Sein Nachfolger Sergej Sobjanin hat da weniger Berührungsängste.


Wenn das Parlamentszentrum gebaut wird, schliesst sich der Kreis zu den stalinistischen Zuckerbäckerhochhäusern der Fünfzigerjahre. Denn eigentlich war hier kein Hotel, sondern ein staatliches Verwaltungsgebäude geplant, 37-geschossig und üppig verziert. Das Zarjade-Quartier hatte man bereits dem Erdboden gleich gemacht. Kurz nach Stalins Tod wurde das Projekt gekippt und der gleiche Architekt, Dmitrij Tschetschulin, plante das Hotel «Rossija».


Ob das neue Projekt zu Stande kommt, ist - wie an dieser prominenten Stelle üblich - nicht sicher. Zum einen wegen den Kosten von 2 bis 3 Milliarden Franken, zum andern aber auch, weil es offenbar auch andere Pläne gibt: Vor nur gerade zehn Tagen meldete die Internet-Zeitung «Gazeta.ru», dass bis 2014 an Stelle des «Rossija» ein neues Hotel gebaut werde.

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