Maison de l’air

Das Forschungsgebäude GLC der ETH ist ein Kraftakt aus Beton, Stahl, Glas und Technik. Doch Boltshauser Architekten nutzen auch die Erde, Luft und Licht. Ein Lehrstück über kühle Sinnlichkeit und Klima-Aikidō.

Fotos: Kuster Frey

Das Forschungsgebäude GLC der ETH ist ein Kraftakt aus Beton, Stahl, Glas und Technik. Doch Boltshauser Architekten nutzen auch die Erde, Luft und Licht. Ein Lehrstück über kühle Sinnlichkeit und Klima-Aikidō.

Hinter dem Haus klafft eine Schlucht. Sie ist etwa 16 Meter hoch, mehr als 100 Meter lang und betörend schön. In 15 Schwüngen antwortet die Mauer dem Takt der Fassade. Ihre geneigten, unten weiss verputzten Bogensegmente bündeln das Licht und bringen es zu den Arbeitsplätzen in der Tiefe. Der Naturstein, der die gewaltige Betonstruktur veredelt, knüpft an den Belag im Innenhof an. Durch die Löcher im Mauerwerk fliesst Luft in die statischen Hohlräume und sinkt langsam hinab. Im Winter erwärmt sich die Luft an der trägen Erdmasse des Hangs, im Sommer kühlt sie sich daran ab. Das spart immerhin fünf Prozent Betriebsenergie. Hier, sozusagen in der Baugrube, sind Struktur und Haustechnik, Luft und Licht eins. Nirgends lässt sich die Arbeit von Roger Boltshauser besser verstehen. Wettbewerbe mit grossen Fachplanungsteams findet der Zürcher Architekt nicht übertrieben, sondern zwingend. «Struktur- und Energiefragen muss man von Anfang an integrieren und blosse Vermutungen direkt überprüfen, sonst kollabiert der Entwurf später», sagt er. Man könnte seinen Ansatz auch so beschreiben: Nimm alle Zwänge und technischen Anforderungen, mach sie zum Thema und knete sie gemeinsam mit deinen Experten, bis Architektur daraus wird. Oder frei nach der japanischen Kampfkunst Aikidō: Nutze die Kräfte, die sich dir entgegenstellen. Nirgends zeigt sich auch der Haken des neuen Forschungsbaus der ETH Zürich deutlicher. Hier, im Hochschulgebiet Zentrum, nahe bei Universität und Spital, wollte die ETH das verstreute Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie zusammenfassen. Doch der Platz war knapp. Dass die bestehenden Bauten aus den 1920er- bis 1950er-Jahren für heutige Spitzenforschung nicht mehr taugten, stand ausser Frage. Weil die Villen hangaufwärts gemäss Grundbuch ein Recht auf freie Aussicht haben, war schon beim Wettbewerb vor elf Jahren klar: Das beträchtlich...

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