Siegerprojekt für das Zentrum für Biomedizin von Caruso St John Architekten.

Klobiges Problem

Das Hochhaus des Life-Science-Clusters in Basel ist städtebaulich umstritten, und beim Zentrum für Biomedizin hat die Uni den Architekten den Auftrag entzogen.

Der Aufschrei war kurz, aber in Architekturkreisen deutlich. Im Mai vermeldete die Universität Basel, die Planung des Zentrums für Biomedizin auf dem Schällemätteli-Areal in Basel am Ende des Vorprojekts stoppen zu wollen und die Alleinregie über Planung und Ausführung zu übernehmen. Sowohl das Hochbau- und Planungsamt der Stadt wie auch das Generalplanerteam um Caruso St John Architekten, die Sieger des Architekturwettbewerbs, wurden vom Projekt ausgeschlossen. Die Architekten wollen nun, da die Universität das Projekt ausführt, nicht mehr als Urheber genannt werden. Laut Medienstelle der Universität vereinfache ihr radikaler Schritt die Projektleitung und reduziere die Schnittstellen. Dass er die Architekten schwer enttäuschte und den Bund Schweizer Architekten (BSA) zu einer geharnischten Stellungnahme antrieb, überraschte kaum. Der BSA forderte die Weiterführung des Projekts mit Caruso St John.

Das Hochbau- und Planungsamt hielt sich, ebenso erwartungsgemäss, mit öffentlichen Kommentaren zum Vorgang zurück. Hinter vorgehaltener Hand zeigen sich die Planer aber abwartend-skeptisch, ob es der Universität gelingen wird, den Bau bis zur vorgesehenen – und bereits deutlich verspäteten – Eröffnung im Jahr 2024 mit einem eigenen Team zu realisieren.

 

Flucht der Universität nach vorn

Die Ursachen für den Bruch liegen offenbar in der Detailplanung und unterschiedlichen Meinungen dazu, was innerhalb des Kostenrahmens machbar sein würde oder eben nicht. Dass die Universität nun alles auf die eigene Karte setzt, hat aber noch einen anderen Grund. Das aussen bereits vollendete Hochhaus des Biozentrums von Ilg Santer Architekten – nicht zu verwechseln mit dem Zentrum für Biomedizin von Caruso St John direkt daneben auf dem Schällemätteli-Areal – hat sich als Pannenprojekt entpuppt. Ein Bericht der Kantonsregierungen Basel-Stadt und Basel-Land prangert mangelhafte Leistungen und ein ungenügendes Kosten- und Terminmanagement an. Die Mehrkosten belaufen sich auf rund 20 Millionen Franken bei rund 300 Millionen Gesamtkosten. Im Lead als Bauherr ist der Stadtkanton, der sich wegen des fortgeschrittenen Projektstands gezwungen sieht, am externen Generalplaner festzuhalten.

Offiziell heisst es vonseiten der Universität zwar, das eine – das Hochhaus Biozentrum – habe mit dem anderen – dem Zentrum für Biomedizin – nichts zu tun. Doch es ist offensichtlich, dass die Universität nun beim Zentrum für Biomedizin die Flucht nach vorne angetreten hat, alles auf eine Karte setzt und sich selbst in die alleinige Verantwortung nimmt. Nun wird die Uni aber auch liefern müssen. Denn die bürgerlichen Politiker des klammen Landkantons beobachten jede Bewegung der Alma Mater mit Argusaugen, und jeder Misstritt wird mit Liebesentzug bestraft, der neue Diskussionen um Beiträge an die Zentrumsleistungen zur Folge hat. Dass sich Basel-Land an der Universität Basel beteiligt, ist seit einigen Jahren nicht mehr selbstverständlich.

 

Auf lange Frist gesehen ist für Basel jedoch eine andere Diskussion rund um den naturwissenschaftlichen Cluster auf dem Schällemätteli relevanter als finanzielle oder bautechnische Fragen: Jene um die städtebauliche Dimension und die architektonische Qualität des 73 Meter hohen Baus der Architekten Ilg Santer. Nun, da er mit seiner silbern glänzenden, streng gerasterten Fassade im sommerlichen Licht erstrahlt, ja, blendet, scheint die Stadt dieses Hochhaus erst wahrzunehmen. Stellvertretend für die aufkeimende Diskussion in der Stadt steht im Mai ein Beitrag des Architekten Manuel Herz in der NZZ. Darin bezeichnet er den Neubau als «sehr banal und städtebaulich misslungen», «zu niedrig, um Turm zu sein, und zu hoch, um nicht aufzufallen». Am besten solle man «das Türmchen» sofort wieder abreissen. Nicht gerade für den Abriss votierend, aber doch von einer schlankeren und höheren Variante träumen 77 Prozent von rund 650 Usern des Blogs ‹Architekturbasel› in einer nicht repräsentativen Umfrage.

Warum beginnt Basel erst jetzt darüber zu debattieren? Es gibt wohl drei Gründe dafür. Erstens handelt es sich nicht um ein Areal, auf dem sich – wie auf den ungleich grösseren Gebieten Lysbüchel, Wolf oder Dreispitz – ein Konflikt zwischen Gewerbelobbyisten und Wohnbauförderern abspielt. Der Cluster der Universität auf dem Schällemätteli, wo sich auch das Kinderspital von Stump & Schibli befindet, war nie Gegenstand von Kontroversen. Selbst der Abriss des Gefängnisses aus den 1860er-Jahren wurde nicht angefochten. Zweitens scheint die Bevölkerung angesichts zahlreicher bereits gebauter, sich im Bau befindender oder geplanter Hochhäuser – etwa der Roche-Türme, des Meret-Oppenheim-Hochhauses beim Bahnhof SBB, des Baloise-Parks nicht weit davon oder der Nordspitze des Dreispitz-Areals – mittlerweile mit der Verdichtung in die Höhe entweder einverstanden zu sein oder resigniert zu haben. Für alle ist erkennbar, dass die Prosperität Basels auf dem Erfolg grosser privater Bauherren und auch auf einer erfolgreichen Universität gründet. Der Basler Denkmalpfleger Daniel Schneller spricht davon, dass ebenso ein Wandel wie eine Gewöhnung stattgefunden habe. Hochhäuser als Symbol für Dynamik: «Da möchte man sich anschliessen, dazugehören, mitmachen.»

 

Schlicht und einfach vergessen

Drittens schliesslich täuscht die Lage des Schällemätteli-Areals: Es liegt ein gutes Stück vom Rhein entfernt am Eingang zum St.-Johann-Quartier. Dennoch ist das dort hingestellte Hochhaus in der Rheinsilhouette unübersehbar und stellt sich vom Kleinbasler Rheinufer aus betrachtet klobig in das Stadtbild. Als vor vier Jahren eine heftige Debatte um das neue Klinikum 2 des Universitätsspitals entbrannte, drehte sie sich vor allem darum, ob innerhalb der alten Stadtmauern ein neues Hochhaus gebaut werden dürfe oder nicht. Der Entwurf des Zürcher Büros Giuliani Hönger sieht einen sechzig Meter hohen Turm vor, der den bestehenden, seit den Siebzigerjahren umstrittenen Bau ersetzt. Kritiker wie Jacques Herzog – dessen Büro im Wettbewerb an zweiter Stelle lag – bestreiten die Notwendigkeit eines Hochhausersatzes. Es bleibt ein Rätsel, warum diese städtebauliche Frage beim Schällemätteli-Areal, das genauso innerhalb der mittelalterlichen Stadtbefestigung liegt, nicht aufkam. Denkmalpfleger Schneller vermutet, das neue Biozentrum könnte im Schlepptau der Debatte um das Klinikum 2 schlicht und einfach «vergessen» worden sein

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Kommentare

Philipp Fuchs 26.09.2018 22:34
@Peter Schneider: Sie scheinen etwas unter HdeM Paranoia zu leiden... sonst würden Sie diesen sehr treffenden Artikel nicht unter 'verletzte HdeM Seelen' abbuchen, oder? Mag ja sein, dass bei Jacques Herzog & Co. noch eine persönliche Enttäuschung mitspielt. Die Analyse von Patrick Marcolli gerade zum Bau von Ilg Santer hat damit jedoch nichts zu tun und ist absolut schlüssig. Dieser Bau ist eine Schande für eine Stadt, die sich gerne als Architekturhauptstadt der Schweiz geriert. Wie erwähnt ist die prominente Sicht auf Grossbasel vom Kleinbasler Ufer aus durch diesen Bau ihrer Schönheit beraubt worden. Für mich ein Verbrechen am Stadtbild. Zu den weiteren dilettantisch anmutenden Vorkommnissen um die Entstehung der beiden (eigentlich) bedeutenden Gebäude braucht nichts mehr ergänzt werden. Danke, Patrick Marcolli, für diesen wertvollen Artikel.
Peter Schneider 25.09.2018 10:54
Als ehemaliger Kommunikationschef von HdeM wird hier mit peinlichem Gebaren gegen ebensolche gute Architektur gewettert, die in Basel nicht geduldet werden darf. Wirklich Armselig.
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