Die Bibel der Anonymen Architektur, erschienen erstmals 1964 zu einer Ausstellung im MoMA, New York.

Kipppunkt #18: Architecture without Architects

Annika Seifert las Bernard Rudofskys Buch trotz ihres Architekturstudiums an der ETH. 1964 erstmals erschienen, ist es noch heute anregend. Manche seiner Grundannahmen lohnt es jedoch infrage zu stellen.

Das Buch ist 15 Jahre vor meiner Geburt erschienen, 1964 als Katalog einer Ausstellung im Museum of Modern Art in New York. Erstmals hörte ich davon als ETH-Studentin. Der Soziologie-Professor Jean-Pierre Junker hat es in einer Vorlesung über die Dogon erwähnt, einer westafrikanischen Volksgruppe. Ich habe es mir in der Bibliothek ausgeliehen und relativ ziellos gelesen. Dort bin ich zum ersten und einzigen Mal an der ETH mit dem Begriff ‹vernakuläre Architektur› in Berührung gekommen. Über das Fach Soziologie! Gekauft habe ich ‹Architecture without Architects› einige Jahre später, als wir 2010 nach Tansania gezogen sind. Wir haben uns dort die Frage gestellt: Wie geht die Architektur Afrikas mit Hitze um? Das Buch hat mir die Augen geöffnet für den Reichtum der Kulturleistung Architektur ausserhalb unseres westlichen Kanons. Wir waren verblüfft, wie viel uns in der Ausbildung vorenthalten worden war. Vor allem aber wurde mir klar, wie abwegig es ist, dass wir Architekten seit der Moderne davon ausgehen, unser vor allem westlich geprägter Blick und unser somit eingeschränktes Repertoire an Konstruktionen und Typologien könne die Ansprüche an die gebaute Umwelt rund um den Globus beantworten – ungeachtet des klimatischen oder kulturellen Kontextes. Rudofsky hat das Buch vor der Ölkrise verfasst. Es ist kein Ökomanifest, sondern eine architekturtheoretische Abrechnung mit dem International Style. Ich habe es neulich wieder in die Hand genommen, nachdem ich Bruno Latours ‹Terrestrisches Manifest› gelesen habe, ein spannender Blick auf die Globalisierung. Der International Style ist in Latours Sinne Minusglobalisierung, weil er vereinheitlicht und verarmt. Plusglobalisierung wäre Bereicherung, das Erhalten einer breiten Kulturpraxis. Und das stellt Rudofsky auch in seinem Buch vor. Er beschreibt vernakuläre Bautypen als perfekt und nicht zu verbessern, weil ...
Kipppunkt #18: Architecture without Architects

Annika Seifert las Bernard Rudofskys Buch trotz ihres Architekturstudiums an der ETH. 1964 erstmals erschienen, ist es noch heute anregend. Manche seiner Grundannahmen lohnt es jedoch infrage zu stellen.

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