Kann Christian Kerez sein Projekt für das Museum für Moderne Kunst in Warschau realisieren?

Kerez-Projekt Warschau: Emilia statt Christian?

Die Warschauer Bauverwaltung will den Vertrag für das Museum für Moderne Kunst mit Christian Kerez auflösen, wenn bis Ende Januar das Bauprojekt nicht vorliegt.

Die heutige Ausgabe der polnischen «Gazeta» berichtet über den Stand der Dinge bei Christian Kerez' Projekt für das Museum für Moderne Kunst in Warschau. 2007 hatte Kerez den Wettbewerb gewonnen, seither laufen die Planungen und die Verhandlungen mit der Stadt. Wenn bis Ende Januar das Bauprojekt nicht vorliege, werde der Vertrag mit dem Architekten aufgelöst, droht Pawel Baranski, der Chef der städtischen Bauverwaltung, in der Gazeta. 
Für diesen Fall hat die Stadtverwaltung bereits einen Notfallplan ausgearbeitet: Sie will das Möbelhaus «Emilia» für das Museum mieten. Bereits heute belegt das Museum für Moderne Kunst als Provisorium den rückwärtigen Teil des Möbelgeschäfts. Mit dem Einbezug der Hauptausstellungsfläche des Möbelhauses könnte das Museum seinen mikroskopisch kleinen Sitz auf immerhin 4300 Quadratmeter ausbauen. Als Provisorium sicherlich nicht schlecht, aber kein Vergleich zu den geplanten 35'000 Quadratmetern des Kerez-Neubaus. 
Das Möbelhaus Emilia - es hat seinen Namen von seiner Adresse: Emilia-Plater-Strasse - wurde 1970 eröffnet. Der zweigeschossige gläserne Pavillon mit dem gefalteten Dach gehört zu den Perlen der Architektur des sozialistischen Polen und war seinerzeit das wichtigste Möbelhaus des Landes.
Wie ernsthaft Kerez' Projekt wirklich bedroht ist, lässt sich schwer beurteilen; politische Ränkespiele begleiten es seit Beginn. Im Rathaus gibt es laut «Gazeta» inoffizielle Stimmen, die das Museumsprojekt als unerwünschte Investition bezeichneten - die jetzige Stadtregierung hat das Projekt von ihrer Vorgängerin übernommen. Allerdings wurde es offiziell stets unterstützt, sowohl von der Stadtpräsidentin Hanna Gronkiewicz-Waltz als auch vom polnischen Kulturministerium.
Noch im Sommer war Marcel Andino Velez, der Vizedirektor des Museums, optimistisch. Nun meint er gegenüber der «Gazeta», dass zusätzliche Ausstellungsfläche im Möbelhaus eine gute Sache seien, aber bloss als vorübergehende Lösung. Im Übrigen warte das Museum auf offizielle Nachrichten aus dem Rathaus. Auf Anfrage meint er, dass bezüglich des Kerez-Projekts noch nichts entschieden sei. Er könne sich vorstellen, dass Christian Kerez als Autor das Projekt begleiten werde, die Umsetzung aber mit lokalen Partnern passiere. Christian Kerez ist unterwegs und war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

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Kommentare

Werner Huber 12.01.2012 16:02
Heute meldet die «Gazeta», dass das Provisorium im Möbelhaus offenbar einen Schritt näher gerückt ist. Es haben gestern diesbezügliche Gespräche zwischen der Stadt und den «Emilia»-Eigentümern stattgefunden. «Aber unser Appetit ist grösser», versichert Vize-Stadtpräsident Jacke Wojciechowicz gegenüber der Zeitung. Zwischenzeitlich hat offenbar der Partnerarchitekt von Kerez in Warschau einen Vorschlag gemacht, der die Realisierung des Museums wieder etwas wahrscheinlicher macht. Wir bleiben dran!
Peter Stämpfli 12.01.2012 08:45
Das Museum kommt neben den Kulturpalast zu stehen, ein in jeder Beziehung hoch politischer und prestigeträchtiger Ort. Das Projekt selber und die vielfältigen Interessen reiben sich. Für Warschau ist zu hoffen, dass sich Kerez bzw. die Verantwortlichen des Museum für moderne Kunst durchsetzen können.
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