«Je früher, desto günstiger»

Im Themenheft «Holz im Dialog» diskutieren Architekten und Fachplaner. Etwa Pascal Angehrn von in Situ mit Peter Sinniger von Hector Egger Holzbau. Ihr Thema: Vorfertigung beim Bürobau des Bundeasylzentrums.

Fotos: Istvan Balogh

Im Themenheft «Holz im Dialog» diskutieren Architekten und Fachplaner. Etwa Pascal Angehrn von in Situ mit Peter Sinniger von Hector Egger Holzbau. Ihr Thema: Vorfertigung beim Bürobau des Bundeasylzentrums.

Sie erstellen das Bürogebäude des Bundesasylzentrums in Basel in nur zwölf Monaten. Wie schafft man das?

Pascal Angehrn: Der Holzbau erlaubt, die Phasen zu überlagern: Vor Ort wird gebaut und im Werk vorgefertigt. So kann die Bauzeit verkürzt werden. Dafür wird die Planungsphase intensiver. Für die Architekten bedeutet das ein Umdenken: Mit dem Bauprojekt erhält der Holzbauer im Idealfall einen fertigen Plansatz. Die Arbeit der Architekten ist damit weitgehend abgeschlossen. Jede Änderung danach verursacht hohe Kosten.

Sie haben also früher und enger zusammengearbeitet.

Pascal Angehrn: Genau. Die Phase Bauprojekt ist parallel auch jene der Ausführung. Das bildet die SIA-Honorarordnung allerdings nicht ab.

Peter Sinniger: Im Holzbau gilt: Je früher, desto günstiger. In der Vorprojektphase ist das Potenzial für Einsparungen am grössten, bis zu zwanzig Prozent kann man dort die Kosten reduzieren. Mit einer guten Planung können wir die Bauzeit gegenüber einem Massivbau halbieren. Ingenieurholzbau ist komplex. Gestaltung, Planung und Logistik spielen zusammen. Generell kann man sagen: Einen Massivbau baut man, einen vorfabrizierten Holzsystembau plant man. Wir Holzbauer zeichnen alles dreidimensional und stellen die Elemente mit computergesteuerten Maschinen her. Im Zweischichtbetrieb fertigen wir am Abend das letzte Bauteil, das am nächsten Morgen ausgeliefert wird. Wenn man aber die Termine verpasst, verschiebt sich der ganze Bauablauf. Man muss deshalb genug Zeit einrechnen, um die Details zu entwickeln.

Vor Ort wird gebaut und im Werk vorgefertigt. So kann die Bauzeit verkürzt werden.

Sie haben die Ausschreibung mit einem Holzbau gewonnen, obwohl dieser allgemein als teurer gilt als ein Massivbau. Wie haben Sie die Kosten eingehalten?

Peter Sinniger: Erst haben wir das statische Konzept festgelegt, hier kann man am meisten Geld gewinnen oder verlieren. Wenn die Spannweiten optimal sind, können wir sogar günstiger bauen als bei einem Massivbau.

Pascal Angehrn: Das Bundesasylzentrum zeigt: Ein Holzbau kann den Massivbau schlagen. Dazu haben wir das Projekt am runden Tisch zusammen mit dem Holzbauer, dem Holzbauingenieur sowie allen übrigen Fachplanern entwickelt – das war sozusagen analoges BIM. Vor dem Entwerfen haben wir dann die Gebäudedimensionen, die Erschliessung und die Statik definiert. Die Fachplaner runzelten erst die Stirn. Normalerweise ist der Architekt in der Hierarchie zuoberst und sagt, was er will. Wir kehren die Logik bei allen Projekten um. Wir fragen erst den Fachplaner, welches die wirtschaftlichste Lösung ist, und wägen diese danach ab.

Was bedeutete das Kostendach für die Architektur?

Pascal Angehrn: Wir reduzierten die Oberflächen auf ein Minimum. Es wird fast nichts gemalt, der Beton bleibt meistens roh, das Holz ist unverkleidet, die Installationen sind offen. Das Gebäude ist ehrlich, ungeschminkt. Aussen und innen spürt und sieht man, wie es aufgebaut ist. Der Bau zeigt: So einfach kann man bauen. Ich hoffe, dass dieses Prinzip zur Referenz für andere Projekte wird.

Peter Sinniger: Ein bewohnbarer Rohbau heisst: Die Details sind gut gelöst und genau. Beim Massivbau muss man oft Dinge verkleiden, weil sie nicht präzis sind. Die CNC-Maschine aber arbeitet millimetergenau. Der Holzbau wird immer bei konstanten Temperaturen und bei ‹Sonnenschein› im Werk hergestellt. Das erhöht die Qualität.

Es wird fast nichts gemalt, der Beton bleibt meistens roh, das Holz ist unverkleidet, die Installationen sind offen.

Vereinfacht der industrielle Ausdruck die Arbeit des Holzbauers?

Peter Sinniger: Für uns ist es ideal, wenn die vorfabrizierten Elemente auf der Baustelle nicht weiter veredelt werden. Geld verlieren wir auf dem Bau. Wichtig sind zudem die unverkleideten Stützen. Wir sollten wegkommen vom Wahn, alles bündig und verdeckt bauen zu wollen. Man sollte auch den Mut haben zu zeigen, wie ein Gebäude statisch funktioniert. Zudem: Holz ist ein atmungsaktives Material. Deshalb fühlt man sich darin wohler als in einem Gebäude mit konventioneller Wärmedämmung etwa aus Styropor, die erst noch teurer ist. Es gibt eigentlich keinen Grund, das Holz zu verkleiden.

Für manche gilt Holz immer noch als temporär und weniger wertig. Unterstützt dieses Projekt dieses Vorurteil nicht?

Peter Sinniger: Wenn man Holz richtig verbaut, hält es Hunderte von Jahren. Die ältesten Gebäude in der Schweiz sind aus Holz. Wichtig ist, dass Luft an die Fassade kommt. Das ist konstruktiver Holzschutz und hält ewig. Die Laubengänge schützen die Fassade beim Bundesasylzentrum ideal vor der Witterung. Nur schlecht konstruierte Gebäude gehen nach zehn Jahren kaputt. Dies gilt aber auch für eine verputzte Fassade. Bei jedem Bau ist es aber eine Herausforderung, die Details jeweils so zu lösen, dass sie auch für den Architekten ästhetisch passen.

Trotzdem: Der Massivbau ist nach wie vor die Norm.

Pascal Angehrn: Das Vorurteil gegenüber Holz kommt, so glaube ich, von einer harten Lobby. Die Umwelt ist seit fünfzig Jahren von der konventionellen Bauart mit Kompaktfassaden geprägt. Dabei sind Holzhäuser doch dauerhafter und im Unterhalt einfacher. Mit dem Bundesasylzentrum zeigen wir: Der Holzbau ist auf dem Vormarsch. Und man darf nicht vergessen: Es geht auch um die Wertschöpfung. Das Holz für das Gebäude stammt aus der Schweiz, nicht aus dem Ausland.

Peter Sinniger: Als ich 1978 meine Lehre abschloss, haben wir Dachstühle oder Lattenverschläge für Keller gebaut. Vierzig Jahre später konstruieren wir Hochhäuser und Hallen oder Brücken mit siebzig Metern Spannweite. Wir haben enorm aufgeholt: Bei den Neubauten stieg der Anteil von ein paar Prozent auf über 15 Prozent. Der Holzbau muss sich nicht weiter beweisen.

Holz kann fast alles. Warum hat das Gebäude dennoch einen Betonkern?

Pascal Angehrn: Die Anforderungen an die Erdbebensicherheit sind in Basel hoch. Zudem konnten wir dank dem Betonkern die Dicke der Deckenplatten reduzieren.

Peter Sinniger: Für Beton sprach bei diesem Projekt auch die Wirtschaftlichkeit. Wir können Treppenhäuser aus Holz bauen, diese werden wegen des Brandschutzes aber mit nicht brennbaren Materialien verkleidet. Das ist zwar schneller, und man hat weniger Schnittstellen, aber es ist insgesamt auch etwas teurer.

Jedes Gebäude ist ein Unikat. Gibt es Lösungen, die sie für das Bundesasylzentrum entwickelt haben?

Peter Sinniger: Hector Egger gibt es seit 170 Jahren. Und seit ungefähr sechzig Jahren betreiben wir Holzsystembau. Da gibt es natürlich Bibliotheken bei uns, in denen wir Standarddetails ablegen, die wir auf ein Projekt anpassen. In den letzten vierzig Jahren wurde jeder Konstruktionstyp einmal gebaut. Wir müssen nichts neu erfinden.

Holzkonstruktionen haben ihre Regeln. Wie viel muss ein Architekt davon verstehen, damit ein guter Holzbau entsteht?

Peter Sinniger: Wenn der Architekt festlegt, was ihm wichtig ist, finden wir mit ihm zusammen praktisch immer eine Lösung. Es ist unsere Aufgabe, die Holzbaukonstruktion so zu planen, dass alles richtig gebaut wird. Der Architekt muss dabei die statischen Details gar nicht kennen – dafür sind wir da. Wir verhelfen ihm gerne zu einem erfolgreichen Holzbauprojekt.

Wie wird BIM die Zusammenarbeit zwischen Architektinnen und Holzbauern verändern?

Peter Sinniger: Schon heute wird bei uns alles in 3-D konstruiert, damit die CNC-Maschinen die Bearbeitungen umsetzen können. In Zukunft würde BIM bedeuten, dass jeder Handwerker und Planer am gleichen 3-D-Modell plant und so seine Ausführungen direkt einbringen kann. Auf diese Art wird alles noch genauer und vor allem effizienter. Fehlerquellen werden so automatisch eliminiert. Uns als Holzbauer würde ein Hüllkörper vom Architekten genügen, der definiert, wie dick und hoch die Wand ist und wie gross die Öffnung darin sein soll. In dieses Modell konstruiere ich die Bauteile hinein.

Pascal Angehrn: Unser Büro ist noch nicht bereit für BIM. Einen ersten Versuch starten wir nun mit einem Holzbauprojekt für die Kreativwirtschaft in St. Gallen. Bei der Ausschreibung achten wir darauf, dass wir die Lösungen und Aufbauten des Unternehmers ermöglichen. Es ist wichtig, beim Holzbau die Kompetenz dem Holzbauer zu übergeben. Für Architekten, die jede Schraube definieren wollen, ist das allerdings schwierig.

Es fehlen noch die Laubengänge, doch Pascal Angehrn freut sich über das Ergebnis: So einfach kann man bauen, sagt der Architekt von in Situ.

Wohin geht die Entwicklung im Holzbau in den nächsten Jahren?

Peter Sinniger: Die Zukunft gehört neuen, digitalen Technologien. Hector Egger macht sich immer wieder Gedanken und verbessert sich in der Produktionstechnik. Künftig wird es eine grosse Herausforderung werden, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Der Holzbau wird sich in der maschinellen Vorfertigung noch weiter steigern. Auch wir sind laufend dabei, unsere Prozesse zu optimieren und neue Fertigungstechniken zu entwickeln. Allgemein wird der Holzbau noch mehr Marktanteile gewinnen. Es gibt keine nachhaltigere und ökologischere Methode, Gebäude zu erstellen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die graue Energie, über die kaum gesprochen wird. In diesem Bereich ist Holz Spitze.

Wie wird die Digitalisierung die Holzbaubranche verändern?

Peter Sinniger: BIM wird in Zukunft häufiger zum Einsatz kommen und grosse Vereinfachungen mit sich bringen, da die CNC-Maschinen damit direkt angesteuert werden können. Die Zimmerleute lernen in der Ausbildung schon heute, mit den neuen Produktionstechniken umzugehen, und tauschen zwischendurch den Hammer mit der Computermaus. Als Hector Egger Holzbau 2003 das Werk I mit den ersten CNC-Maschinen eröffnete, hatten wir 35 Mitarbeiter. Heute sind wir über 100 Personen. Unser Beispiel zeigt: Mit der Digitalisierung bleiben die Arbeitsplätze erhalten, und die Elemente werden genauer und präziser hergestellt. Auf der Baustelle ist das Handwerk aber immer noch sehr gefragt. Obwohl der Vorfabrikationsgrad stetig zunimmt, bleibt die Handarbeit in der Produktion und in der Montage auf der Baustelle wichtig.

Pascal Angehrn (* 1980) ist Designer FH / VSI ASAI und Mitglied der Geschäfts- leitung beim Baubüro In Situ in Zürich, wo er unter anderem das Projekt Asyl- zentrum des Bundes in Basel leitet.

Peter Sinniger (* 1958) ist diplomierter Zimmermeister und arbeitet seit 2008 bei Hector Egger Holzbau, wo er die Abteilung Akquisition / Kalkulation leitet.

Das Cover des Themenhefts «Holz im Dialog»

Das Themenheft «Holz im Dialog» erscheint Anfang November 2018. Die Publikation feiert am Freitag 2. November Vernissage am Preview Day des Designer's Saturday in Langenthal. Hier anmelden.

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