Der Pavillon geht in die Tiefe und nimmt sich zurück vor dem alten Galeriegebäude. Fotos: zVg © Herzog & de Meuron und Ai Weiwei (Pläne), © Iwan Baan (Bilder)

Herzog & de Meuron und Ai Weiwei graben im Park

Herzog & de Meuron und Ai Weiwei bauen den diesjährigen Pavillon für die Serpentine Gallery in London als eine inszenierte Ausgrabungsstätte.

Ein Architekt türmt Neues auf. Ein Archäologe gräbt in der Vergangenheit. Herzog & de Meuron und Ai Weiwei tun beides. Das Team baut den diesjährigen Pavillon für die Serpentine Gallery in London als eine inszenierte Ausgrabungsstätte. Die Überreste der früheren Pavillons bilden unter einem Stahldach ein Wirrwarr an Linien und Kreisen, die sich überlagern. Für jede der elf realisierten Strukturen trägt stellvertretend eine Stütze das Dach, eine zwölfte steht für die Neuste. Was von wem stammt, bleibt im Dunkeln. Ausser man entschlüsselt das Gewirr auf dem Plan, und weiss noch, welcher Pavillon wie in der Erde fusste. Das Loch ist keine archäologische Stätte. Es gibt einem aber ein Gefühl für den steten Wandel des Ortes. Der Bezug zur Vergangenheit ist ein geschickter Trick. Er entschärft die Gefahr, ein Gebäude als Spektakel zu bauen, das im luftleeren Raum schwebt. Das Team wollte nicht wie die bisher eingeladenen Architekten ein Objekt bauen. Doch auch sie schaffen ein räumliches Ereignis. Allerdings eines, das nicht vom Himmel gefallen ist, sondern aus dem Boden wächst.

Das Team ergräbt Architektur. Statt aufzubauen, trägt es ab. Das einzige, das es errichtet: ein Dach über dem Kopf. Der Stahlrand schneidet im Kreis über die Grube und hebt es ab von der Welt darunter. Das Dach sammelt den Regen, der glatte Wasserspiegel kontrastiert mit dem zerfurchten Boden darunter. Schreitet man ins dunkle Loch hinab, steigt einem der Geruch von Kork in die Nase. Der Boden, die Stützen, die Hocker – alles ist aus diesem Material. Die poröse Oberfläche dämpft den Lärm der Stadt, fühlt sich weich und warm an. Man hat das Gefühl, als sässe man in der Erde. Bei einer Stütze bricht die Inszenierung und zeigt: Der Kork ist Verkleidung, innen trägt ein schlankes Stahlrohr. Im Unterschied zu einigen früheren Pavillons wird der Raum zu einem öffentlichen Ort. Denn abgesehen von historischem Bezug und räumlicher Kraft: Der Pavillon funktioniert im Alltag. Das Dach schützt vor Regen, die Abtreppung bildet ein Forum, auf dem Kork hockt es sich bequem. Die Architektur zwängt sich nicht auf, sie lässt zu. Das Loch wird im Oktober zugeschüttet, die Spuren überdeckt. Beim Besucher hinterlässt der Pavillon einen bleibenden Eindruck.

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