Norman Foster Fotos: AC-Photo, Alessandra Chemollo

Heilige Architekturlektion

Erstmals an der Biennale baut der Vatikan auf der Insel San Giorgio Maggiore zehn temporäre Kapellen. Hier lernt man mehr über gute und weniger gute Architektur als in den Hallen des Arsenale.

Dieses Jahr nimmt der Vatikan erstmals an der Architekturbiennale in Venedig teil. Warum sich der wichtigste Bauherr der Geschichte so lange Zeit liess, bleibt offen. Ein Besuch jedenfalls lohnt sich, auch wenn die Anreise nicht ganz einfach ist. Man nimmt das Boot auf die Insel San Giorgio Maggiore, lässt Andrea Palladios Kirche rechts liegen und geht bis an den südlichen Zipfel der Insel, wo sich ein lauschiger Park unter Bäumen erstreckt. Fernab vom Trubel der Biennale kann man hier Architektur erleben, frei von allen weltlichen Zwängen. Der Vatikan hat zehn Architekten eingeladen, je eine Kapelle zu bauen. Inspiriert sind die kleinen Sakralbauten von einer Kapelle, die Gunnar Asplund 1920 auf dem dicht bewaldeten Woodland Friedhof in Stockholm erbaute. Die Versuchsanordnung erinnert derweil an die Sommerpavillons der Serpentine Galerie in London. Der Unterschied: In jedem Pavillon gibt es einen Altar, auch wenn die meisten Besucher hier kontemplieren und nicht predigen. Die Kapellen sind aufwändig konstruiert, auch dank der Unterstützung von zehn Baufirmen – selbst die Kirche setzt mittlerweile auf Sponsoring. Festigkeit, Nützlichkeit, Schönheit Die zehn Kapellen erteilen eine Lektion in Sachen Baukultur, im Guten wie im Schlechten. Die Konstruktionen rufen die drei Grundpfeiler der Architektur von Vitruv in Erinnerung. Erstens, die Festigkeit: Norman Foster spannt Stützen mit Stahlseilen auf den Boden und legt einen Lättlirost rund herum. Ein Pavillon so leicht und elegant, als schaukelte er auf hoher See. Javier Corvalan hingegen überinstrumentiert die Statik. Ein Fachwerk aus fetten Stahlrohren formt einen schwebenden Kreis. Dabei tragen die Rohre nur ein paar Sperrholzplatten. Zweitens, die Nützlichkeit: Sean Godsell stellt einen simplen, viereckigen Stahlturm zwischen die Bäume. Ist er geöffnet, klappen die vier Fassaden unten wie Flügel nach aussen und we...
Heilige Architekturlektion

Erstmals an der Biennale baut der Vatikan auf der Insel San Giorgio Maggiore zehn temporäre Kapellen. Hier lernt man mehr über gute und weniger gute Architektur als in den Hallen des Arsenale.

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