Der Nabelstein wurde vor Ort gegossen und geschliffen. Fotos: Roman Keller

Fin de chantier: Stilvoll schwitzen

Eine Treppe führt hinunter in den neuen Hammam im Zürcher Volkshaus, Stadtbad genannt. Wellness im Keller?

Die gleichen Betreiber bieten in der «Sauna im See» einen grandiosen Blick auf Stadt und Alpen an mit anschliessendem Sprung in den See. Doch hier geht es nobler zu. Am Empfang wird gesiezt, und die Umkleide ist ähnlich edel (und eng) wie jene der Therme Vals. Mit Bakelit versehene Schalungsplatten mit Massivholzgriffen beweisen Liebe zum ungekünstelten Detail. Im schummrigen Gang spürt der nackte Fuss Weichfloriges, Leuchtbilder kitzeln die Augen. Kunst ist unübersehbarer Bestandteil.

Im Hammamraum wird es feucht und noch wärmer, ein grosser Nabelstein schmilzt dem Gast entgegen. Drumherum die Mauern, die zum Logo des Stadtbads wurden: lange dunkle Betonsteine, 500 an der Zahl, deren mal höhere, mal flachere Wellenform die Raumteiler zu Schleiern auflöst. Sie laden den Raum erotisch auf: Armfragmente erscheinen dahinter, Beine, Brüste; da wird jemand mit Schaum massiert, dort schmiert sich jemand mit Schlamm ein, Blechschüsseln glänzen. Die Gitterwände haben Strickbauecken. Hölzerne Ablagen und Haken sind durchgesteckt und verkeilt, Rohre und Armaturen verchromt und offen geführt, über Keramikschüsseln mit glasierter Innenseite. Brüchige Malereien schmücken in Blau oder Rot das Weiss der Wände. Darüber verdeckt ein schwarzes Gitter die Technik, im Raumzentrum bleibt die Betonrippendecke offen, wie auch im Gang. Durch ihn gelangt der Gast in den Ruheraum mit Teebar, wo die gemalte Unterseite eines Seerosenteichs die Decke schmückt. Hinter Vorhangschleiern lassen sich ganze Nachmittage verschlummern. In den Wandnischen liegen Decken parat, zu den Kopfrollen auch Kissen, die Leselämpchen sind verstell- und dimmbar — perfekt! Doch bei solchem Komfort schaukeln sich selbst kleine ästhetische Missklänge zu lautem Getöse auf: zum Beispiel die Mauerwelle, schwarz auf weisse Vorhänge gesprüht. Oder die Gummibäume und Fici. Sie rahmen die Atelier-Pfister-Sitzgruppe und erinnern szenig-cool daran, wie die Sauna im Volkshaus bis vor Kurzem noch aussah. 

Stadtbad Volkshaus Zürich, 2012

Stauffacherstrasse 60, Zürich

> Bauherrschaft: Stadtbad Zürich AG

> Architektur: felder.architektur Lukas Felder mit ­Tobias Rihs und Peter Christen, Zürich

> Auftragsart: Direktauftrag

> Bauleitung: eidos AG, Küsnacht

> Kunst: Eric Schumacher, Vera Veronesi, 

Husmann / Tschäni, Kathrin Rippstein, Noel Fischer

> Gesamtkosten (BKP 1–9): CHF 3 300 000.–

> Baukosten (BKP 2 / m³): CHF 1400.–

close

Kommentare

Kommentar schreiben