Das Studio über dem Eingang Fotos: Thomas Kohler

Fin de Chantier: Neuenschwanders Letztes

Die Geschichte des kleinen Winzerhauses an der Sägegasse begann am Morgen des 24. Juli 1445 mit einem Brand. 1451 wurde das Haus wieder aufgebaut und dann fünfeinhalb Jahrhunderte beinahe unverändert bewohnt. Doch bis die Erbengemeinschaft den Architekten Eduard Neuenschwander um seine Beurteilung bat, hatte es zwölf Jahre leergestanden.

Die Geschichte des kleinen Winzerhauses an der Sägegasse begann am Morgen des 24. Juli 1445 mit einem Brand. In ihrem Rachefeldzug gegen die Zürcher fielen die Schwyzer ins Dorf Zollikon ein und legten es in Schutt und Asche. 1451 wurde das Haus wieder aufgebaut und dann fünfein- halb Jahrhunderte beinahe unverändert bewohnt. Doch bis die Erbengemeinschaft den Architekten Eduard Neuenschwander um seine Beurteilung bat, hatte es zwölf Jahre leergestanden. Manche Böden waren kaum betretbar, vieles desolat. Der 88-jährige «Hausretter» ging vor, wie er es nicht erst seit seinem bekanntesten Beispiel, dem Zürcher Altstadthaus am Rindermarkt Anfang der Neunzigerjahre, macht: Er schälte qualitätslose Oberflächen ab, legte gotische Decken, geschroppte Bretterböden und ausgemauertes Riegelwerk frei. Wo nötig, ergänzte er Küche, Bä- der, Treppe und Oberflächen — sichtbar neu und nicht ohne Gestaltungswillen.
Die Bretterwand des bronzenen Zimmers versetzte er einen Meter in Richtung Bad; gegenüber strahlt ein Zimmer blau, daneben eins in Rosa. Der Anbau aus dem 18. Jahrhundert dient nun als geräumiger Eingang, der Dachraum darüber als «Elternstudio» mit eigenem Bad und eigener Ästhetik. Darüber wich ein Teil des Pultdachs einer neuen Dachzinne mit Seesicht.
Ein Erkennungsmerkmal der Umbauten Neuenchwanders sind die einzelnen Bretter der Fassade, die vor den neuen Fenstern des Anbaus durchlaufen, oder der lange Fensterschlitz in der Falllinie des Daches, der den grossen Dachraum in helles Licht taucht. Er tritt wenig in Erscheinung, weil er unter der Dachhaut liegt. «Die Dämmung gehört auf die alten Sparren, nicht dazwischen», sagt der Architekt und geisselt alle Denkmalpfleger, die es anders vorschreiben. Alle alten Balken im Innern liegen frei, alle Stützen, Mauern und Oberflächen, und seien sie noch so schründig. Für ihn sind sie «konstruktive Skulpturen der Geschichts- und Materialsinnlichkeit» — sie zeigen Spuren und stimmen die Räume, gezielt kontrastiert von frischen Farben und Formen. So erzählen die Reste der Feuer- stellen im Eingangsraum und im Gang von den beiden früheren Küchen, und zeigen auch, da der Kachelofen und die Tür zur Stube doppelt vorhanden sind, dass da lange zwei Familien wohnten. Die schwarzen und geborstenen Bruchsteine der mächtigen Stubenwand berichten von den Anfängen: Sie zeugen vom Überfall der Schwyzer vor über fünf Jahrhunderten.


UMBAU WINZERHAUS, 2012

Sägegasse 25, Zollikon ZH
— Bauherrschaft: Barbara und Oliver Furrer, Zollikon
— Architekt: Eduard Neuenschwander, Gockhausen
— Bauforschung: Thomas Kohler, Atelier Berti, Kohler & Wyss, Zürich
— Konservierung: Ludmilla Labin, Nänikon
— Bauphysik: Heinz Antenen, Firma Wichser, Zürich
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Kommentare

Rolf Günter 14.03.2013 10:21
Über das Winzerhaus in Zollikon und die Philosophie von Eduard Neuenschwander gibt es einen 16' Film. Die DVD : "aus dem Leben heraus arbeiten" Eduard Neuenschwander Biologe - Architekt - Umweltgestalter, kann manfür 30 Franken bestellen: info@montevideo.tv
Miss PJ 08.08.2012 11:46
In erster Linie ist dies eine sehr gut geschriebene Artikel. Sehr angenehm zu lesen. Ich habe eine Leidenschaft für Holz-Interieur - was ein Blick auf meine pinterest wird schnell zeigen. Ich liebe Holz Interieur, das "earth-y", natürliches Gefühl. Es ist so viel bequemer als weiße Wände oder Beton, wie Sie sehen, in einigen Ländern. Dies könnte ein zu Hause sein. Das fehlende Element? Ein gepolsterter Stuhl von Poltrona Frau, oder Brabbu http://brabbu.com/ P.
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