Eigenwillige Form in Grono: Das Schulhaus mit Kindergarten kümmert sich nicht um seine Nachbarbauten. Fotos: Javier Miguel Verme

Fin de chantier: Kreis, Quadrat, Konzept

Der Architekt vergleicht das Projekt für das Schulhaus Grono mit der Stringenz einer mathematischen Formel. Doch bei aller Logik, mit der der Beton dem Kräftefluss folgt, wirkt die Form gesucht.

Der Bau steht unterhalb des Gemeindehauses. Keine Fenster, keine Türen verweisen auf seinen Massstab. Auf der Wiese rund ums Haus rennen Kindergärtner herum, eine kreisförmige Mauer grenzt den Rasen vom Asphalt ab. Die befestigte Fläche rundum dient den älteren Schülern als Pausenhof. In der Mitte jeder Fassade ragt eine Stütze auf, wird nach oben breiter und fliesst als
Träger in die Gebäudeecken. Runde Öffnungen durchbrechen diese Pfeiler. Dahinter steht die Glasfassade mit Holzrahmen. Die auffällige Geometrie fasziniert, reisst das Haus aber aus dem Kontext. Architekt Raphael Zuber sieht dennoch einen «charakterlichen» Bezug zum Ort. Die Position auf der Parzelle und die physische Präsenz vergleicht er mit den Bürgerhäusern im Dorf. Doch damit hört die Analogie auf und Zuber räumt ein: «Das Haus könnte irgendwo stehen.»

Drei Punkte haben ihn beim Entwurf geleitet. Erstens: Kindergarten und Schule sollten gleichwertig sein, darum die richtungslose Struktur. Zweitens: Flexibilität. Also möglichst wenige Stützen. Und drittens: Um Kosten und Energie zu sparen, sollte das Volumen kompakt sein. So ergab sich der quadratische Grundriss. Zuber vergleicht das Projekt mit der Stringenz einer mathematischen Formel. Doch bei aller Logik, mit der der Beton dem Kräftefluss folgt, wirkt die Form gesucht. Der Gestaltungswille des Architekten, nicht die Reduktion aufs Minimum steht im Vordergrund. Symmetrische Strenge dominiert auch innen. Ein Flur teilt jedes Stockwerk in zwei Hälften. Im Erdgeschoss befinden sich zwei Kindergärten, darüber die öffentlichen Räume. Im obersten Stock platzierte Zuber in den Ecken vier Klassenzimmer und dazwischen zwei Handarbeitsräume. In den Schulzimmern öffnen die sich verjüngenden Träger der Fassade hin zur Ecke, Struktur und Nutzung ergänzen sich. In den Handarbeitszimmern aber prallen Form und Raum aufeinander: Hier versperren die breiten Stützen den Ausblick.

Um Kosten zu sparen, entwickelte Zuber eine eigene Schalldämmung oder verwendete Holzbalken, an denen die Leuchten aufgehängt sind. Der Pragmatismus entspricht dem Konzept einer Grundform, auf die alles draufgeschraubt wird. Doch diese Struktur ist zu wenig präsent, um sich gegen die Einbauten behaupten zu können. So präzis der Bau aussen wirkt, so wild stehen sich innen Materialien und Formen gegenüber.

Schulhaus und Kindergarten, 2011

Grono GR

– Bauherrschaft: Gemeinde Grono

– Architektur: Raphael Zuber, Chur; David Gianinazzi, Kosuke Yutani (Mitarbeit)

– Landschaftsarchitektur: 4D, Bern

– Statik: Conzett Bronzini Gartmann Ingenieure, Chur

– Auftragsart: Wettbewerb, 2007

– Kosten (BKP 1-8): CHF 6,4 Mio.

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