Die Sonne spiegelt sich in der Glasfassade. Und produziert Strom. (Foto: Stephan Rappo) Fotos: Stephan Rappo

«Es ist einfach ein gutes Haus»

Solaris ist eine neue Heftreihe. Mit ihr möchte Hochparterre die zumeist noch getrennten Welten von Solar und Architektur zusammenbringen. Im Interview sprechen Huggenbergerfries Architekten über ihr Solarhaus, das so heisst, wie die Heftreihe.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Solarhaus
zu bauen?

Erika Fries: Am Anfang stand die Idee eines Glashauses.
Lukas Huggenberger: Das kam aus dem Ort, dem Ephemeren, Spiegelnden des Sees.
Adrian Berger: Wir wollten, dass das Licht das Haus verändert. Irgendwann haben wir dann gemerkt: Aus Licht können wir auch Energie gewinnen.

Zu Beginn war es also architektonische Neugierde. Auch das Wissen um gesellschaftliche Verantwortung?
Adrian Berger: Wir haben uns schon auch gefragt: Können wir eine Fassade machen, die nicht nur schön ist ?
Lukas Huggenberger: Als Architekt kämpft man tagtäglich mit den Vorgaben von Minergie. Aber ein Haus kann mehr als dämmen und lüften. Auch das Gewinnen von Energie kann ein gestalterisches Thema sein. Wir dürfen die Hoheit über das Gebiet nicht den Spezialisten überlassen.

Waren Sie sich da immer einig?
Adrian Berger: Im Prinzip schon. Doch lange war nicht klar, wohin die Reise geht. Als projektleitender Partner wusste ich manchmal nicht mehr, ob es gut kommt.
Lukas Huggenberger: Wir waren alle unsicher, weil man bei dem Thema immer die falschen Bilder im Kopf hat. Bei Photovoltaik hat ein Architekt keine positiven Gefühle. Darum fand ich unser Gedankengerüst recht solide: Es ist ein Glashaus, kein Solarhaus. Das hat geholfen.
Erika Fries: Schon im Studium hat uns das Konstruktive geprägt. Dass es bei der Solartechnik vor allem schlechte Beispiele gab, hat uns angespornt: Es muss auch anders gehen !

Gab es für Sie keine gebauten Vorbilder? Nur Gegenbeispiele?
Adrian Berger: Vorbilder gab es nicht. Aber wir haben ja parallel zum Projekt Hofwiesenstrasse von Karl Viridén geplant (siehe ‹ Zukunft bauen ›, Themenheft von Hochparterre, Oktober 2016). Gasser Fassadentechnik war bei beiden Projekten dabei, so konnten wir voneinander profitieren. Vor allem auf der technischen Ebene.
Lukas Huggenberger: Auch die Häuser in Brütten von René Schmid waren im Bau. Wir fanden uns in einer Community wieder, die am gleichen Thema arbeitet. Das hilft schon.
Erika Fries: Das Experiment und das Ungewisse haben wir bei anderen Projekten auch. Solaris war durch die Komplexität noch ein bisschen anspruchsvoller.

Technisch oder ästhetisch?
Adrian Berger: Ganz klar ästhetisch. Wir haben sicher 40 bis 50 Muster gebaut, bis wir ein Modul hatten, das mit der Tiefe arbeitet, das die Zellen bändigt und bei dem die Farbigkeit stimmt. Man spürt die Zellen mehr, als dass man sie sieht.
Lukas Huggenberger: Ist das nicht auch eine technische Anforderung? Die grösste Herausforderung war, das Hochtechnische mit ästhetischen Werten zusammenzubringen. Das wird heute meistens explizit getrennt.

Was haben Sie für Versuche gemacht?
Erika Fries: Angefangen haben wir mit Dallglas, das sind ­dicke, gegossene Glassteine.
Adrian Berger: Sehr früh haben wir gesehen, dass Floatglas zu hart ist, um Tiefe zu entwickeln. Wir haben es mit Linien­druck, Rasterdruck, Flächendruck oder farbigen Folien versucht.
Lukas Huggenberger: Und mit etlichen Fügungsvarianten in der Fassade: kleine und grosse Module, eine Art Schlussstein. Aber dann haben wir gemerkt, dass es zu viel ist. Die Fassade muss Strom produzieren und Tiefe haben, und das reicht.

Projekte, die ein bestimmtes Material ausloten, ziehen sich durch Ihr Werk: die Kacheln beim Wohnhaus Zurlindenstrasse, die Ziegel der Alterspsychiatrie in Pfäfers, das gefaltete Aluminium beim Limmattower.
Erika Fries: Bei Solaris war es ganz ähnlich. Unsere Neugierde, was man mit einem Material machen kann. Ästhetisch und atmosphärisch.

Zeigt das Haus, dass es ein Solarhaus ist?
Erika Fries: Das muss niemand wissen. Es ist einfach ein gutes Haus in der Stadt. Wenn man es genauer anschaut, darf man erfahren, was dahintersteckt. Aber es ist keine gebaute Werbung für Solararchitektur.

Warum heisst es dann Solaris?
Lukas Huggenberger: Es gibt schon Merkmale, die es als Solarhaus auszeichnen, zum Beispiel die glatte Aussenhaut. Aber es stimmt: Man muss es nicht sehen.
Adrian Berger: Auf der Baustelle haben wir mal die ‹didaktischen Fenster› diskutiert: Blickt man aus den Badezimmern und dem Treppenhaus auf die Solarzellen ? Wir haben uns dann dafür entschieden. Die Lichtstimmung im Treppenhaus ist gut so. Übrigens war unser Arbeitstitel ‹Unsichtbares Kraftwerk›.
Lukas Huggenberger: Wir hatten einfach Angst vor dem ästhetischen Einfluss der Technik. Als wir gemerkt haben, es besteht keine Gefahr mehr für die Architektur, haben wir die Technik gezeigt.

Was hat da gedroht?
Lukas Huggenberger: Bei den Beispielen, die ich kenne, wird das Modul mit den abgeschrägten Ecken zu dominant. Man sieht nur noch die Technik und nicht mehr das Haus.
Erika Fries: Die Diskussion um das Fenster war für mich ganz wichtig: Mit dem Glas davor hatte es nichts Technoides mehr, sondern einen ornamentalen Charakter. Es ist keine PV-Anlage, die man da sieht, sondern etwas, das neugierig macht.

Mit Solaris haben Sie das Bauen mit Solartechnik in die anspruchsvolle Architektur getragen. War das Absicht oder ist Ihnen das passiert?
Adrian Berger: Es ist passiert.
Lukas Huggenberger: Aber aus dem Interesse heraus, einen Beitrag zu leisten. Auch zur Energiewende. Wir sind drei politische Menschen, die sich nicht nur in den höheren Sphären der Architektur bewegen. Das ist ein gesellschaftliches Thema, das uns interessiert.

Es ist ein Thema, um das sich der Grossteil Ihrer Kollegen drückt. Das war bei den anderen Materialien, mit denen Sie bisher experimentiert habt, nicht der Fall.
Lukas Huggenberger: Bei der Zurlindenstrasse war es fast vergleichbar. Als wir dort die Keramikfassade gemacht haben, gab es auch Vorbehalte, aber eher technischer Art. Danach hat das dann schnell Einzug gehalten, und heute machen es alle.

Wie waren die Reaktionen auf Solaris?
Erika Fries: Zur Besichtigung kamen schon einige, und viele waren auch begeistert. Aber oft werde ich nicht darauf angesprochen.
Lukas Huggenberger: Es ist schon so: Die Vorbehalte sind stark. Wenige Skeptiker haben gemerkt, dass man einen Schritt machen kann. Für sie ist das jetzt immerhin eine Option. Bei den Laien ist der Vorbehalt viel geringer. Die finden das sexy, Tesla und so.

Sie sind jetzt nicht nur Architekten und Hausvermieter, sondern auch Stromproduzenten. Ihre Erfahrungen?
Lukas Huggenberger: Es fehlt die Unterstützung. Man hat das Gefühl, die Stromkonzerne verteidigen ihre Monopole mit aller Kraft. Für die Kilowattstunde, die wir ins Netz einspeisen, bekommen wir nur sieben Rappen. Wenn wir gleichwertigen Strom beziehen, zahlen wir fast achtmal mehr.

Planen Sie schon das nächste Solarhaus oder werden Sie das nie wieder machen?
Adrian Berger: Ich würde es gern weiterentwickeln. Wir haben jetzt viel Know-how. Und Lust, eine grössere Überbauung so zu entwickeln.
Erika Fries: Den Beweis, dass so etwas geht, haben wir nun geliefert. Ob wir daraus einen Geschäftszweig entwickeln, müssen wir an der nächsten Retraite diskutieren.

Huggenbergerfries Architekten
Seit 2000 gibt es das Büro von Adrian Berger, Lukas Huggenberger und Erika Fries in Zürich. 20 Mitarbeiter entwerfen in allen Massstäben: von der städtebaulichen Planung über das Hochhaus bis zum Quartierladen und zur Fussgängerbrücke. Das Haus Solaris ist das zweite, das sie mit ihrem Ableger hbf Futur als Bauherrschaft entwickelt haben. www.hbf.ch


Dieses Interview stammt aus dem Themenheft ‹Solaris #1, das Hochparterre in Zusammenarbeit mit Energie Schweiz herausgegeben hat. Jetzt im Webshop bestellen oder zur Heftvernissage anmelden.
 

 

 

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Kommentare

Andreas Konrad 15.01.2018 14:09
Dieses Haus würgt sich zwischen klassizistischen Palazzo und Blockrand. Die Spaltmasse und ungelösten Ecken erinnern an schlecht gemachte Eternit -Verhüllungen der 90-er Jahre. Der Anspruch und das Ergebnis klaffen weit auseinander. Doch die Architekten, die u.a. dem Heimplatz einen äusserst eleganten Kiosk zimmerten, scheitern an der Technik. Mit Solar bauen ist gut, schön ist es noch lange nicht.
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