Visualisierung des Elefantenparks

«Eine Art Natur-Konstruktion»

Seit einem Jahr baut der Zoo Zürich am neuen Elefantenpark. Im Interview mit hochparterre.ch erzählt Architekt Markus Schietsch über die Komplexität des Dachs und die Kraft der Dickhäuter.

Seit einem Jahr baut der Zoo Zürich am neuen Elefantenpark. Im Interview mit hochparterre.ch erzählt der Architekt Markus Schietsch über den organischen Entwurf, die Komplexität des Dachs und die Kraft der Dickhäuter.

Sie planen ein Gebäude für Elefanten. Was haben Sie über die Tiere gelernt?
Markus Schietsch: Bei der Planung eines solchen Gebäudes spielt die Geschicklichkeit, das soziale Verhalten und die Kraft der Elefanten eine grosse Rolle. Alle Elemente müssen auf mehrere Tonnen Schublast ausgelegt und so befestigt sein, dass sie die Dickhäuter nicht sofort abschrauben und zerlegen. Bei der Anlage handelt es sich aber nicht nur um einen Bau für Tiere, es geht auch um das Erlebnis der Besucher. Das grosse Dach und die Fassade bilden die atmosphärische Hülle und den szenischen Hintergrund für die Welt der Elefanten.

Eine ungewöhnliche und anspruchsvolle Aufgabe also.
Ja. Auch die Dachkonstruktion ist eine grosse Herausforderung. Eine freigeformte, ca. 80 Meter freitragende Holzschale, die erst auf der Baustelle in Form gebogen und ausgeschnitten wird, zu kontrollieren stellt grosse Anforderungen an alle Planer und Unternehmer. Das Projekt kann auf vielen Ebenen als prototypisch angesehen werden.

Was hat Sie daran gereizt?
Bereits in der Wettbewerbsausschreibung forderte der Zoo in der Architektur möglichst auf westliche Konstruktionselemente zu verzichten. Das Naturerlebnis sollte im Vordergrund stehen. Die Idee, Architektur als integralen Teil der Landschaft zu entwerfen, fanden wir sehr spannend. Wir haben versucht, mit einem ganz anderen Formenkanon zu arbeiten, und uns ausschliesslich an Referenzen aus der Pflanzen- und Tierwelt orientiert.

Wie hat sich die Zoo-Architektur in den letzten Jahren verändert?
Früher waren Zoobauten Schauhäuser für möglichst viele Tiere, die auf engem Raum den Besuchern präsentiert und von ihrem natürlichen Umfeld isoliert gezeigt wurden. Heute versuchen Zoos, die Tiere möglichst in der natürlichen Umgebung erlebbar zu machen. Es geht um das Eintauchen in die Welt des Tieres. Bislang wurde Architektur von vielen Zoos noch als störende und technische, klimatisch notwendige Hülle gesehen, die man am besten versteckt oder aber mit exotischen Architekturstilen verdeckt.  Wir haben einen anderen Ansatz verfolgt und das Elefantenhaus in die Landschaft integriert um so das Naturerlebnis zu verstärken. Wir haben uns für eine Symbiose von Naturformen und Architekturelementen entschieden, also für eine Art Natur-Konstruktion.

Das Gebäude wird zur Landschaft. Heisst das, der Architekt muss sich zurücknehmen?
Nein, meiner Meinung nach muss sich die Architektur nicht zwingend zurücknehmen, sie sollte sich aber in den Kontext der Zoolandschaft als nachgebildeten Naturraum einfügen.

Was bedeutet das?
Wir haben Bilder und Strukturen aus der Natur gesucht, aus denen sich eine naturnah erscheinende Konstruktion erzeugen lässt. Uns ging es dabei nicht um das Nachbauen einer bestimmten natürlichen Konfiguration, sondern um die Erzeugung einer – wenn auch abstrakten –Naturassoziation. Die Strukturen sollen wie gefunden wirken. Wichtig ist uns, dass Dach und Fassade mit Begriffen wie «natürlich» und «gewachsen» assoziiert werden. Ob das Dach dann als Blätterdach, als Schildkrötenpanzer, als Pilz oder als Muschel gelesen wird, ist uns weniger wichtig. Entscheidend ist, dass die assoziierten Bilder aus dem Bereich der Tier- und Pflanzenwelt stammen. Zudem haben wir versucht grundsätzliche architektonische Elemente wie Wände, Stützen und Träger zu vermeiden und auch die Trennung zwischen Innen- und Aussenraum aufzulösen.

Ein Haus ohne rechten Winkel?
Beinahe, ja. Das Dach ist eine Freiform, die  an den Rändern auf- und abschwingt, den Boden teilweise fast berührt und so den Innenraum aufspannt. Die Fassade entsteht aus einer Morphologie zwischen den niederen Stützbereichen und den Bögen des Daches. Durch diese Veränderung der Elemente im Fassadenverlauf und das Anwachsen der Profile an die Dachkante erinnert auch die Fassade an gewachsene Strukturen.

Das Dach wirkt zufällig. Was ist die Logik dahinter?
Das Holzdach funktioniert als Schalentragwerk. Es ist nicht in einzelne Elemente aufgelöst, sondern trägt als Ganzes. Die Form entstand aus dem definierten Dachrand und einem digitalen Hängemodell, aus dem sich der optimale Kraftfluss ergab. Die Holzschale wird durch lineare Strahlen verstärkt, die wir zu einem Strahlenbild verdichtet haben, um das ganzheitliche Tragverhalten der Holzschale ablesbar zu lassen. Der Holzanteil nimmt an den Knotenpunkten und zum Rand hin zu, da hier die grössten Kräfte auftreten. Das Dach oszilliert so in seiner Erscheinung zwischen ausgeschnittener Schale und gewachsenem Geflecht und entspricht so sowohl dem logischen Aufbau als auch der Zufälligkeit gewachsener Strukturen.

Wie ist das Dach konstruiert?
Das Dach besteht aus drei Lagen Dreischichtplatten, die vor Ort gebogen und vernagelt werden. Die Öffnungen werden auf der Baustelle mit Kettensägen ausgeschnitten. Auf die Holzschale werden weitere verstärkende Randträger aus Holz aufgebogen und verschraubt. Die äussere Eindeckung wird aus gebogenen Holzplatten gebaut, die mit der Zeit vergrauen und versilbern werden. Die Konstruktion an sich ist also Low-Tech.

Die Planung aber High-Tech.
Ja, die meisten Flächen sind doppelt gekrümmt, verändern sich laufend und sind zweidimensional nicht mehr zu kontrollieren. Daher müssen grosse Teile der Ausführung dreidimensional geplant werden. Anhand von Computer-Skripten können aufwendige Arbeitsschritte vereinfacht und sicherer umgesetzt werden.

Geben Sie so nicht die Kontrolle über den Entwurf ab?
Nein. Der Computer und die Skripte sind Werkzeuge, die uns das Arbeiten erleichtern und die Ausführung von so komplexen Geometrien erst ermöglichen. Die Entwurfs- und Arbeitsweise ändert sich jedoch, da die Entwicklungsprozesse iterativ sind. Hilfreich war dabei, zuerst das Ziel und dann den Prozess festzulegen.

Wollen Sie die organische Architektur weiterverfolgen?
Ich würde es so sagen: (lacht) Nach vier Jahren Planung wissen wir den rechten Winkel sehr zu schätzen. Wir haben uns jedoch bei diesem Projekt nicht aus Fragen des Stils oder der Mode für eine Freiform entschieden, sondern weil wir überzeugt sind, dass unser Ansatz und die gefundene Form der Bauaufgabe und dem Kontext am besten gerecht wird. Bei einer gleichartigen Aufgabe würden wir sicher wieder ähnlich antworten.

Elefantenpark Zoo Zürich

Der Zoo Zürich baut derzeit ein neues Elefantengehege. Den Architekturwettbewerb für die Halle haben Markus Schietsch Architekten und Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur 2008 gewonnen. Das Dach des Gebäudes besteht aus einer grossen Holzschale. Die Fläche ist zweifach gekrümmt und mit unzähligen Löchern durchsetzt. Im Sommer wird die Holzstruktur errichtet. 2014 soll der Bau eröffnet werden.

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Kommentare

Martin Pfundt 09.07.2012 08:46
Als Konstrukteur einiger herausragender Holzbauten wie das die "Chesa Futura" in St.Moritz oder das "Centre Pompidou" in Metz bin ich entsetzt über die Beschreibung: "Die Öffnungen werden auf der Baustelle mit Kettensägen ausgeschnitten". In der heutigen Zeit ist es durchaus möglich, hochkomplexe Holzbauten mit einer Präzision herzustellen, dass keiner mehr mit einer Kettensäge irgend etwas auf der Baustelle heraussägen muss. Diese Techniken werden aber leider nur von einigen wenigen Spezialisten wirklich beherrscht. Und anscheinend sind solche Techniken auch nicht überall bekannt.
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