Ein Haus, das aus dem Boden wächst
Am 19. Mai stimmen die Stadtbasler für oder gegen das neue Ozeanium von Roger Boltshauser Architekten. Schon aus architektonischen Gründen sind wir für den energetisch vorbildlichen Bau.
Basel möchte ein Ozeanium bauen. Seit dem Wettbewerb vor über 6 Jahren gibt es ein Für und Wider um den Bau an der Heuwaage. Das wird mehr und mehr emotionaler geführt. Die einen loben ihn als Naturschutzprojekt, das tausende Besucher für den Schutz der Weltmeere sensibilisieren wird, und als eine Art Basler Masoala-Halle, die den Zoo, Pardon, Zolli, wettbewerbsfähig bleiben lässt. Die anderen unken vom «Fischtank», und dass es völlig veraltet sei, gefangene Tiere auszustellen. Um Geld gehts für einmal nicht, denn die 100 Mio. Franken, die der Bau kostet, und auch die Betriebskosten zahlen private und andere Mäzene, nicht der Kanton. Stattdessen stimmen die Stadtbasler am 19. Mai über ein Referendum gegen den vom Grossen Rat gefassten Bebauungsplan ab. «Nein» heisst dann: Ja zum Ozeanium*. Es scheint eine Glaubensfrage zu sein. Schauen wir auf die Architektur.
2012 lobte die Wettbewerbsjury die städtebauliche Setzung des monumental wirkenden, aber gar nicht so grossen Baukörpers, denn ein grosser Teil des Programms liegt unter dem Boden. «Monumental» ist vielleicht der falsche Ausdruck – Erhaben ist der beinahe öffnungslos erscheinende Brocken, eine Art Riff in der Stadt. Eindrücklich. Zwar reagiert er rundherum subtil auf den Stadtraum – zur Heuwaage zum Beispiel wölbt sich die Fassade konvex nach innen und ein Zyklopen-Auge präsentiert den milchig-grünen Inhalt des Hauses. Die Visualisierungen zeigen eine auch aussen bewohnte Fassade: Schrundiger Stampflehm setzt den Backstein des Sockels darüber fort. Ein Haus, das aus dem Boden wächst. Schwalben oder Mauersegler nisten hoch oben, hinterlassen Spuren. Auf der Dachkante sieht man ein Storchennest. Fast meint man Möven schreien zu hören. Ist das Architektur oder Natur?
Der Architekt Roger Boltshauser treibt mit dem Gebäude seine langjährigen Lehmbaustudien weiter, über die er jüngst ein Buch, ach was, ein Standardwerk veröffentlicht hat. Auch für das höhlige Innere des Ozeaniums plant er Wände aus Stampflehm, was sich positiv auf den Feuchtigkeitshaushalt der Säle auswirken soll. Unterschiedliche Fels- und Sedimentgesteine thematisieren dort die Rifflandschaften der Meere, in Räumen, die mystisch wirken (jedenfalls wenn sie fast leer sind, wie auf den Bildern). Die Aussenfassaden werden vor allem aus dem Aushubmaterial der Baugrube erstellt. Darin eingelegte Leitungsregister sollen eine Kälte- und Wärmerückgewinnung ermöglichen. Überhaupt: Die Energie ist, ganz zeitgemäss, wichtiges Thema. Stampflehm ist ein Held im CO2-Vermeiden, das wissen wir. Technische Optimierungen und der Verzicht auf häufig gefiltertes Wasser sollen das Ozeanium um bis zu 40 Prozent energieeffizienter machen als jedes bis jetzt weltweit gebaute Pendant. Und wer hätte es gedacht: Angeblich braucht es weniger Betriebsenergie als Kunstmuseum oder Stadttheater. Und weniger Wasser als das eigene Restaurant.
Der Heuwaage, diesem unwirtlichen Verkehrsort, würde dieser Bau sicher gut tun. Auch dem Zoo, der damit einen markanten Auftakt am Rande der Altstadt bekäme. Mit gestalteten Aussenräumen, mit Café-Bar im Erdgeschoss. Und mit einer eindrucksvollen Erscheinung, irgendwo zwischen Kreidefelsen und Hochseedampfer.
* Korrektur am 1. Mai: Die Abstimmungsfrage lautet: «Wollen Sie den Grossratsbeschluss vom 17. Oktober 2018 betreffend Ratschlag Ozeanium und die entsprechenden baurechtlichen Anpassungen annehmen?» Die Antwort für den Bau wäre also doch ein «Ja».