Das Bundesgericht hat das Projekt «Ringling» gebodigt.

Die Tyrannei der Bewahrer

Das Nein des Bundesgerichts zur Überbauung «Ringling» in Zürich ist ein schwerer Schlag für die Verdichtung – aus baukultureller, rechtlicher und gesellschaftlicher Sicht.

Es gibt zwei Arten, Verdichtung zu betrachten: als Verlust oder als Chance. Das hängt von der eigenen Weltanschauung ab – und von der Architektur. Schneider Studer Primas Architekten packten 2006 die Gelegenheit eines 30'000 Quadratmeter grossen Areals im Rütihof am Rande von Zürich und schlugen mit ihrem «Ringling» eine kühne Grossform vor: ein übergrosser Blockrand mit öffentlichem Hof. Als Weg aus der Verklumpung, die Häuser fetter, aber nicht besser macht. Als Statement für günstiges Bauen. Als starken Ort in einer gebauten Insel der Langweiligkeit. Doch im August liess das Bundesgericht in Lausanne eine Bombe platzen. Es entzog dem Bauprojekt die Baubewilligung, weil ihm die Eingliederung in die Umgebung fehle und es nicht besonders gut gestaltet sei, was Paragraph 71 des Planungs- und Baugesetz bei Arealüberbauungen voraussetzt. Mit dem Urteil stehen die beiden Baugenossenschaften Sonnengarten und GBMZ, und die Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich und die Stadt, die das Land im Baurecht abgegeben hat, vor einem Scherbenhaufen. Zehn Jahre haben sie mit den Architekten geplant, fünf Millionen Franken in den Sand gesetzt. Weitherum sorgte das Urteil für Stirnrunzeln bis Kopfschütteln. Es ist ein dreifacher Rückschlag. Juristen statt Juroren Erstens für die Baukultur: Der Entscheid ist ein Affront gegen die Fachleute, die das Projekt mehrmals positiv beurteilt haben. Die Bundesrichter setzen sich über die Jurymeinung und sämtliche Vorinstanzen hinweg – in einer ästhetischen Frage. Das beurteilen selbst Fachleute als gewagt. «Ich bin sehr erstaunt, dass das Bundesgericht einen Ermessensentscheid, der von allen kommunalen und kantonalen Vorinstanzen geschützt wurde, stürzt. Das ist aussergewöhnlich und gleich fast schon einer Sensation.», sagt die Baurechtsanwältin Nadja Herz. «Mir ist kein anderer Fall aus jüngerer Zeit bekannt, bei dem das Bunde...
Die Tyrannei der Bewahrer

Das Nein des Bundesgerichts zur Überbauung «Ringling» in Zürich ist ein schwerer Schlag für die Verdichtung – aus baukultureller, rechtlicher und gesellschaftlicher Sicht.

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