Motiv für Kaffeebecher, T-Shirts und Kissen: Trellick Tower, London, 1969–1972, Ernő Goldfinger. Fotos: Simon Phipps

Brutal optimistisch

Brutalistische Bauten erleben ein Revival. In ihrem Geburtsort London fragen wir einen Fotografen, einen Historiker und einen Architekten, warum.

Der FotografHier ist East London noch nicht hip. Die U-Bahn heisst Overground, und der Themse-Tunnel spült seit fünfzig Jahren einen dreckigen Strom von Autos nach oben. Die Betonwand rund um die Wohnanlage Robin Hood Gardens soll die Bewohner vor dem Strassenlärm schützen, erinnert aber an die Berliner Mauer. Die Fenster dahinter sind blind und leer. Bagger stehen vor der Betonfassade und werden bald mit dem Abriss von einem der beiden langen, geknickten Gebäude beginnen.Simon Phipps schüttelt den Kopf. Viele prominente Architekten haben für den Erhalt der Anlage gekämpft. Die grauen Haare des Fotografen gehen über in einen dichten Bart. Die schwarze Brille rahmt einen traurigen Blick. Seit zwanzig Jahren macht Phipps Fotos von Bauten des britischen Brutalismus. Auch von diesem Werk des Architektenpaars Alison und Peter Smithson, 1972 fertiggestellt. Als wegweisend gilt Robin Hood Gardens wegen der ‹Himmelsstrassen›, breite Laubengänge, auf denen die Bewohnerinnen und Bewohner in jedem dritten Geschoss ihre Maisonettes betreten. Wir steigen durchs enge, stinkende Treppenhaus nach oben, hinaus auf den Gang. Dort geht der Blick weit, denn keine Fassadenstützen verstellen ihn, und der Knick des Gebäudes öffnet die Perspektive. Wo damals an den Docks noch Schiffe beladen wurden, bilden heute glänzende Bürotürme eine geschlossene Wand. Ganz nah, gleich auf der anderen Strassenseite wächst ein neuer in den Himmel. Er gehört zur Planung, die anstelle von 300 Sozialwohnungen Luxusapartments vorsieht. «Hier zählt nur der Profit», sagt Phipps und fährt mit seiner Hand über die Brüstung aus schrundigem Beton.Mit seiner Liebe zum Brutalismus ist der Künstler nicht allein. Nach einer Generation des Hasses entstand in den letzten Jahren ein regelrechter Hype. Bücher über brutalistische Architektur füllen die Läden, im November startet im Deutschen Architekturmuseum di...
Brutal optimistisch

Brutalistische Bauten erleben ein Revival. In ihrem Geburtsort London fragen wir einen Fotografen, einen Historiker und einen Architekten, warum.

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