Walserhaus neu interpretiert: Mantelmauern aus Beton rahmen den Lärchenholzbau.

Baukunst im Schafspelz

Traditionelle Typologien, natürliche Materialien und Gemeinschaft. Das klingt nach Nostalgie. Doch diese Falle vermeidet ein Wohnhaus in Brig gekonnt.

Wäre dieses Haus ein Mensch, es wäre eine Bäuerin mit festem Weltbild, weitem Ackerland und dickem Pullover. Zehn Tonnen Wolle von Walliser Schwarznasenschafen und weissen Alpenschafen stecken hinter seiner Lärchenfassade. «Wir essen das Fleisch, die Wolle aber werfen wir weg», sagt Leentje Walliser. Die gebürtige Belgierin und ihr Mann Damian leben selbst vegetarisch und führen seit zehn Jahren ein Architekturbüro in Brig. «Die Schafwolle ist viel gereist», sagen sie ausserdem – und schon befinden wir uns mitten in den Zielkonflikten einer regional und natürlich verstandenen Nachhaltigkeit: Zwei Jahre dauerte es, die Wolle von mehr als 8000 Schärungen zu sammeln. Dann reiste sie nach Belgien, wo man das Fett herauswusch. In Süddeutschland wurde sie zu jenen Filzmatten, die nun für zeitgemässe Dämmwerte sorgen. ###Media_2### Beseelte Baufrauen und alpine Baukultur Allein die Schafwolle verursachte sechsstellige Mehrkosten. Das muss sich ein Bauherr leisten können und wollen. In Brig waren es Baufrauen, genauer: die Schwestern des Ordens St. Ursula, deren Kloster in der südlichen Altstadt liegt. Auf dem Weg vom Bahnhof zur Klostermatte, jenem unverbauten Wiesenhang, an dessen Rand das Wohnhaus steht, entpuppt sich Damian Walliser als historisch bewandert. Wir passieren das Stockalperschloss mit seinen drei Türmen, das als wichtigster Profanbau der barocken Schweiz gilt. Der Architekt erzählt, wie der Händler Kaspar Stockalper, reich geworden durch sein Monopol auf Salz und den Warentransport über den Simplon, im späten 17. Jahrhundert Landeshauptmann wurde und nebst Kapuzinern und Jesuiten auch die Ursulinen nach Brig holte. Generationen tüchtiger Schwestern schufen einen eindrücklichen Bezirk. 2013 verkauften sie ihr mächtiges Schulhaus samt Umland an den Kanton, der es nun als Mittelschule nutzt. Seither sassen die Ursulinen auf einem stattliche...
Baukunst im Schafspelz

Traditionelle Typologien, natürliche Materialien und Gemeinschaft. Das klingt nach Nostalgie. Doch diese Falle vermeidet ein Wohnhaus in Brig gekonnt.

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