Auf dem Boden bleiben

Die Europaallee ist ein grossstädtischer Moment im Stadtgefüge Zürichs. Doch ausgerechnet der öffentliche Raum gibt sich mit Asphalt zwinglianisch bescheiden.

Fotos: Giuseppe Micciché

Die Europaallee ist ein grossstädtischer Moment im Stadtgefüge Zürichs. Doch ausgerechnet der öffentliche Raum gibt sich mit Asphalt zwinglianisch bescheiden.

Zürich ist verliebt. Die reichste Stadt der Schweiz steht auf ein Material, das im Ausland meist nur für Autos und Lastwagen reserviert ist: Asphalt. Das teerige Schwarz ist der Traum der Verantwortlichen einer Stadt, in der es heisst, man könne vom Boden essen, weil es überall so sauber ist. Keine Frage: Asphalt ist ein wahres Wundermaterial. Es fliesst fugenlos in jede Form, kostet wenig, braucht kaum Unterhalt, ist glatt befahrbar, hält Lasten aus, lässt sich aufreissen und flicken, trägt nicht protzig auf. Zwingli hätte seine Freude daran gehabt. Und so überrascht es nicht, dass das Material auch die neue Vorzeigepromenade prägt: die Europaallee. Zwei kräftige Bänder aus Tessiner Cresciano-Gneis führen zwar unter den Baumreihen durch die Allee und fassen die beiden Plätze an deren Enden als breite Flächen. Auf dem Plan leuchtet diese Klammer aus Naturstein ein. Doch vor Ort nimmt man vor allem die Mitte wahr, wo eine dunkle Leere gähnt. Auch sonst rollt die Asphaltwalze durch den neuen Stadtteil, ganz einerlei ob Trottoir, Platz, Rampe oder Strasse. Selbst die ehemals grüne Insel bei der Berufsschule an der Kanonengasse wurde zum Teerplatz. Schwarz, wohin das Auge blickt. Viel hat sich die Presse aufgeregt über die Europaallee, die gebaut ist für das eine Prozent, das es sich leisten kann, hier zu wohnen oder zu arbeiten. In der ‹Wochenzeitung› musste auch der Aussenraum Federn lassen, weil er ein «Durchgangsort» sei, «trostlos, ja geradezu menschenfeindlich», «lieblos und funktional» und überhaupt dem Kommerz unterworfen. Blumenbeete, Sträucher und Picknicktische forderte die Zeitung stattdessen. Doch weder der Europaplatz noch der Gustav-Gull-Platz sind Quartierplätze, wo es lauschig grünen sollte und wo Familien Kartoffeln pflanzen. Hier, mitten in der Metropole, wo die Häuser hoch, die Menschen geschäftig und die Haltung mondän sind, darf di...

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