Alle Aspekte im Blick

Erneuern oder ersetzen? Im Fall von zwei unspektakulären Wohnhäusern in Zürich Nord prüfte Pensimo Management diese Frage ganz genau. Der Vergleich ist in vieler Hinsicht aufschlussreich.

Fotos: Thomas Kramer (Modellfoto)
In Zusammenarbeit mit Pensimo Management

Erneuern oder ersetzen? Im Fall von zwei unspektakulären Wohnhäusern in Zürich Nord prüfte Pensimo Management diese Frage ganz genau. Der Vergleich ist in vieler Hinsicht aufschlussreich.

Hinter dem Zürcher Käferberg liegt das Quartier Neu-Affoltern. Seine Bebauung stammt mehrheitlich aus den 1950er-Jahren. Die meisten Häuser sind Zeilenbauten mit zwei bis drei Obergeschossen und viel grünem Abstand. Zwei Häuser an der Anton-Higi-Strasse – einer kleinen Stichstrasse, benannt nach dem Architekten Anton Higi, der von 1938 bis 1946 im Stadtrat sass – gehören der Anlagestiftung Turidomus. Sie wurden 1953 erstellt, haben je acht Wohnungen, das Dach ist nicht ausgebaut. Diese beiden Häuser prüfte Pensimo hinsichtlich CO2-Ausstoss und Energiebilanz.

Heute stehen zwei Zeilenbauten von 1953 auf dem Grundstück.

Das Grundstück weist eine Ausnützungsreserve von bis zu 50 Prozent auf.
Eine Studie der Firma Planzeit förderte auf der Parzelle nach geltender Bau- und Zonenordnung eine Ausnützungsreserve von 30 bis 50 Prozent zutage. Zusätzlich prüfte die Firma Durable, wie sich unterschiedliche Möglichkeiten der Erneuerung auf die Energiebilanz der nächsten dreissig Jahre auswirken würden: Abriss und Neubau, zehn Jahre Weiterbetrieb und danach Abriss und Neubau oder eine Gesamterneuerung. Für die Szenarien wurden der CO2-Ausstoss und der Energieverbrauch im Betrieb und für die Erstellung einander gegenübergestellt. Dass man den Zeitfaktor sowie verschiedene Formen der Wärmeerzeugung miteinbezog, machte den Vergleich besonders aussagekräftig. Das Ergebnis: Bei Gesamterneuerung und Ersatzneubau ist der Verbrauch pro Quadratmeter und Jahr etwa gleich hoch. Projekte mit mehr Fläche nutzen die Parzelle aber effizienter und können auf dem angespannten Wohnungsmarkt von Zürich mehr Wohnraum anbieten. Aus all den Gründen entschied sich Pensimo, die Häuser abzureissen und neu zu bauen.

Die grösste Ausnützung gewinnt

Zur Projektierung führte Pensimo Management einen Studienauftrag durch. Wichtige Punkte im Programm waren das Netto-Null-Ziel im Betrieb, einfache und nachhaltige Konstruktionen und knappe Wohnungsgrössen. Sechs Projekte wurden eingereicht, und der Vergleich ihrer Energiebilanzen macht deutlich, wie nah sie beieinanderliegen siehe Darstellungen Seiten 22 und 23. Das ausgewählte Projekt von Chebbi Thomet Bucher Architektinnen schneidet nicht einmal am besten ab. Architektonisch stellen weder dieses noch eins der anderen Projekte das Thema Klima sichtbar in den Mittelpunkt. Den Zuschlag erhielt der Vorschlag mit den tauglichsten Wohnungen und einer bereits auf diesem Projektstand hohen Ausnützung – der entscheidende Punkt bei der Frage, ob es sich bezüglich CO2-Ausstoss lohnt, neu zu bauen. Und gute Wohnungen sind nachhaltig: Bleiben die Mieter lange im Haus, gewinnen Hausgemeinschaft und Vermieterin.

Das Neubauprojekt von Chebbi Thomet Bucher Architektinnen.
Um städtebauliche Themen wie das Weiterdenken der Gartenstadt geht es im Jurybericht nicht, und auch die Anmutung des Gebäudes findet kaum Erwähnung. Wie bezieht sich der Neubau städtebaulich und architektonisch auf den Bestand, der verschwindet? Modernisiert er die Form des abgetreppten 1970er-Jahre-Blocks oder schlägt er vollkommen neue Töne an? Ist er volumetrisch ausufernd oder im Gegenteil diszipliniert? Die Jury bewertete diejenigen Eingaben, die sich am offensichtlichsten um solche kontextuellen Fragen bemühten, unterschiedlich: Der expressive Vorschlag von Käferstein & Meister wolle zu viel und passe zu wenig. Der einfühlsame Entwurf von EMI Architekten erhält zwar Lob, doch für den Zuschlag reichte es nicht.

 

Rechnen, vergleichen, lernen

Beim Vorprojekt prüfte Pensimo alle Parameter, die den Neubau dem Netto-Null-Ziel am nächsten bringen würden. Projektleiter Patrick Wildberger wollte das Maximum an CO2-Reduktion bezogen auf Mobilität, Erstellung und Betrieb herausholen – eine Herausforderung für alle Beteiligten. Materialien und Bauteile wurden mit Blick darauf verglichen, etwa Recyclingbeton und Zement mit Recyclingzuschlägen unter Einbezug der statischen Belastbarkeit.

Die Architektinnen lernten viel über die Feinheiten möglicher Konstruktionssysteme, erzählt Karin Bucher, die das Projekt bei Chebbi Thomet Bucher leitet: zum Beispiel bei der Analyse des Vergleichs von Holzbau und Hybridbau, bei der Auswahl des Holzes – einheimisch oder nicht – oder bei der Berechnung der Querschnitte. Zusätzlich zu den für gewöhnlich verlangten Erstellungskosten hatte das Planungsteam zusammen mit Pensimo Management eine Gegenüberstellung verschiedener Projektvarianten auszuarbeiten, die weitere quantitativ messbare Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigten: Lebenszykluskosten, CO2-Ausstoss, Primärenergie, Energiebedarf, Energiekosten und Marktwert. Von den Varianten, die je einen dieser Aspekte favorisierten, war jene mit den tiefsten Erstellungskosten zwar 4 Prozent günstiger als die ausgewählte. Die wiederum stösst aber einen Viertel weniger CO2 aus. Bei der Primärenergie liegt der Verbrauch sogar um satte 70 Prozent tiefer als bei der kostengünstigsten Variante. Würde der Lebenszyklus über 45 Jahre betrachtet, ergäbe das in der Bilanz praktisch null. Der Paradigmenwechsel: Neben den Erstellungskosten müssen die Lebenszykluskosten und die Energiekosten betrachtet werden – genauso wie beim Energieverbrauch nicht nur der Betrieb, sondern die Gesamtbilanz über die Gebrauchsdauer der Bauteile von dreissig Jahren und mehr entscheidend ist, Erstellung und Abbruch inklusive.

Die Südfassade des geplanten Neubaus.

Das Erdgeschoss mit sechs Wohnungen.
Es sei wichtig, sagt Patrick Wildberger, die ganze Rechnerei als quantitative Grundlage für die qualitativen Entscheidungen zu verstehen. Diese lassen sich nicht allein tabellarisch abbilden, sondern fallen bei der Projektierung, in der Zusammenarbeit von Planungsteam, Bewirtschaftungs-, Construction- und Portfoliomanagement. Gebaut wird nun hybrid: Man entschied sich für einen Betonkern und Betondecken. Der Recyclinganteil der Zuschlagstoffe soll dabei möglichst hoch sein – ob bei der Tiefgaragen- oder bei einer Geschossdecke –, und auch auf einen möglichst ökologischen Zement wird geachtet. Hinzu kommt eine Holzrahmenkonstruktion für die Fassade. Sie überzeugte in der Abwägung zahlreicher Aspekte, auch architektonischer und sozialer Art, obwohl ein Einsteinmauerwerk günstiger gewesen wäre. Ein reiner Holzbau und Holzdecken kamen dagegen nicht infrage: Aufgrund des Gebäudeschnitts wären die Decken zu massiv und die Raumhöhe zu niedrig geworden.

Als lernende Organisation möchte Pensimo Management laufend neue Erkenntnisse gewinnen, nicht nur für sich selbst. Auch ein aufwendiger und offener Prozess lohnt sich, weil er im besten Fall dem ganzen Portfolio und dessen CO2-Absenkpfad nützt. Das Fundament dafür bildet der langfristige Anlagehorizont – wenn Liegenschaften nicht verkauft, sondern gehalten und über den gesamten Lebenszyklus optimal genutzt werden. Und künftig treten die Bauteile und Materialien danach womöglich in den nächsten Kreislauf ein.

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Dieser Artikel stammt aus dem Themenheft «Baustelle Klimaschutz», das in Zusammenarbeit mit Pensimo Management entstand. Die Immobilieninvestorin gewährt darin Einblick in Strategien, Projekte und Zahlen dazu, wie sie die Klimaziele mit ihrem Bestand von über 500 Liegenschaften erreichen will. Bestellen Sie hier das Themenheft im Webshop oder lesen Sie es kostenlos als E-Paper.

 

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