Hochparterres Städtebau-Stammtisch diskutierte in Basel die Rolle der SBB als Immobilien-Gigantin.

Ignorante Giganten

Hochparterres Städtebau-Stammtisch diskutierte in Basel die Rolle der SBB als Immobilien-Gigantin. Trotz eindeutiger Fakten, scheint ein Umlenken schwierig.

Dabei waren die Fakten eindeutig, die der Publizist Niklaus Scherr zu Beginn der Veranstaltung präsentierte (nachzulesen im Hochparterres Themenheft «Die unbekannte Gigantin»): Die Immobilienabteilung der SBB ist in den letzten Jahren zum zweitgrössten Player in der Schweiz aufgestiegen. Die Gewinne reichen, um jährlich 150 Millionen an die Infrastruktur der Bundesbahnen beizusteuern und das Loch in der Pensionskasse zu stopfen, wie vom Bundesrat gefordert. Warum also wollen die SBB ihre Mieteinnahmen weiter stark erhöhen, von 480 Millionen pro Jahr heute auf 1,25 Milliarden im Jahr 2037? Warum schafft der Staatsbetrieb in aktuellen Planungen in Basel und der ganzen Schweiz nicht mehr günstigen Wohnraum?

Rahel Marti (Hochparterre), Res Keller (Präsident Verein Noigass), Patrizia Bernasconi (Geschäftsleiterin Mieterverband Basel), Susanne Zenker (Leiterin SBB Immobilien Development), Hans-Peter Wessels (Vorsteher Bau- und Verkehrsdepartement Basel-Stadt)

Unter diesen Vorzeichen konnte dem Publikum bang werden um Susanne Zenker, die als designierte Leiterin der SBB-Immobilienentwicklung auf dem Podium Platz nahm. Die Sorge war unbegründet. Ihren Opponenten am Stammtisch gelang es nur bedingt, die SBB-Vertreterin unter Druck zu setzen. Zenker berief sich auf die komplexen Planungen und den Auftrag des Bundesrats. Hilfe bekam sie zudem von Hans-Peter Wessels, baselstädtischer Regierungsrat und Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartement. Die SBB seien ein professioneller und fairer Partner, der auf die Bedürfnisse der Stadt eingehe. «Auf dem Lysbüchel und dem Güterbahnhof Wolf werden durchmischte Quartiere entstehen», sagt er mit Blick auf zwei aktuelle Projekte.

Patrizia Bernasconi, Geschäftsleiterin des Mieterinnen- und Mieterverbands Basel, quittierte diese Aussage mit Kopfschütteln: «Die aktuelle Wohnbaupolitik darf nicht fortgeführt werden» widersprach sie Wessels. «Wir brauchen günstigen Wohnraum und nicht noch ein Prestigeobjekt wie den Meret-Oppenheim-Turm!» An den hohen Mieten sei dort die teure Architektur Schuld, meinte Susanne Zenker ohne den Namen der dafür verantwortlichen Basler Herzog und de Meuron in den Mund zu nehmen. Ganz Politiker packte Hans-Peter Wessels seine Chance: «Gute Architektur muss nicht teuer sein», stellte er sich publikumswirksam auf die Seite der anwesenden Architektinnen und Planer.  

Zahlen und Fakten: Der Publizist Niklaus Scherr präsentierte Zahlen und Fakten über die SBB-Division Immobilien.

Res Keller, Präsident des Vereins Noigass, der in Zürich für 100 Prozent gemeinnützigen Wohnraum auf dem Neugass-Areal kämpft, wies darauf hin, wie stark die renditeorientierte Planung der SBB an der Europaallee in die Quartiere ausstrahlt. «Die SBB-Areale sorgen für Entmischung, nicht für Durchmischung», hielt Keller fest.

Anregungen, wie auf den Arealen mehr günstiger Wohnraum gebaut wird, kamen auch aus dem Publikum. Enteignungen, wie sie im 19. Jahrhundert zu Gunsten der SBB stattgefunden haben, könnten rückgängig gemacht werden, wenn der Grund für die Expropriation nicht mehr gelte, erklärte Jurist und Grossrat René Brigger: «Der Staat kann die Areale zurückkaufen, dann haben wir einen direkteren Zugriff auf ihre Entwicklung.» Grossrat Jörg Vitelli sah ein weiteres Mittel Druck auszuüben: «Ohne Umzonung bleibt der Güterbahnhof Wolf ein Güterbahnhof und kann nicht entwickelt werden.» Die lokalen Behörden könnten aus einer Position der Stärke mit der SBB verhandeln.  

Wie immer gut besucht: Hochparterres Städtebau-Stammtisch in der Druckereihalle Ackermannshof in Basel.

Noch einmal wich Hans-Peter Wessels der auf ihn gezielten Kritik elegant aus: «Frau Zenker arbeitet doch für uns», erklärte er mit Blick auf die SBB als Staatsbetrieb. Und Susanne Zenker nutzte die Gelegenheit auf ihre Leistungen hinzuweisen: «Wir bemühen uns um Lärm- und Strahlungsschutz, um den Aussenraum, den Denkmalschutz und gute Verfahren mit Architekturwettbewerb und Studienauftrag.  Erst dann können wir preisgünstige Wohnungen anbieten.»

Es bleiben die von Niklaus Scherr recherchierten Zahlen, die klar aufzeigen, dass der Anteil preisgünstiger Wohnungen im Portfolio der SBB stark sinkt, statt ansteigt. Was tun also? «Wir müssen lokal Druck auf die SBB und die Politik aufbauen», meinte Res Keller. Moderatorin Rahel Marti schloss die Veranstaltung mit dem Hinweis: «Wenn die SBB-Division Immobilien weiterwächst wie geplant, wird Hochparterre noch viele Städtebau-Stammtische veranstalten.»

Mit freundlicher Unterstützung von EMCH Aufzüge AG

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Kommentare

Wohnbaugenossenschaften Nordwestschweiz 18.12.2018 17:31
Vielen Dank für die Organisation dieses Anlasses und auch an die Podiumsteilnehmer, vor allem Frau Zenker. Unsere Stellungnahme zu der Frage "Was wünschen Sie sich von der SBB für Basel?" finden Sie hier: https://www.wbg-nordwestschweiz.ch/cms/62/64/st%C3%A4dtebau-stammtisch-von-der-hochparterre-ag,-verlag-f%C3%BCr-architektur,-planung-und-design.html
Architektur Basel 17.12.2018 15:00
Das war eine spannende Veranstaltung! Hier unsere Zusammenfassung > https://architekturbasel.ch/staedtebau-stammtisch-lysbuechel-wolf-und-co/
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