Die Flora im Anthropozän

In hiesigen Städten wachsen Pflanzen, für die botanisch Interessierte vor hundert Jahren noch weit reisen mussten. Eine Standortbestimmung – und ein Plädoyer für die Wertschätzung urbaner Biodiversität.

Fotos: Jonas Frei

In hiesigen Städten wachsen Pflanzen, für die botanisch Interessierte vor hundert Jahren noch weit reisen mussten. Eine Standortbestimmung – und ein Plädoyer für die Wertschätzung urbaner Biodiversität.

So, wie es Wald- und Wiesenpflanzen gibt und Gewächse, die für ein Moor oder einen Berggipfel typisch sind, so haben auch Städte ihre eigene Flora: Pflanzenarten, die im gebauten Gefüge ihren optimalen Lebensraum finden. Diese Stadtpflanzen vegetieren meist unauffällig vor sich hin. Siedeln da, wo Belagsfugen nicht ausgebrannt oder mit Herbiziden behandelt werden, wo eine Baustelle für einige Jahre brachliegt oder wo rund um einen neu gepflanzten Baum ein wenig Erdreich offen bleibt. ###Media_2### ###Media_3### ###Media_4### Stadtflora als Produkt unseres Handelns Die Art und Weise, wie wir Städte bauen und wie wir darin leben, bestimmt, welche Pflanzenarten und auch welche Tierarten dort eine Heimat finden. In der städtischen Flora zeigt sich, wie vernetzt, wie global wir Menschen agieren. Und auch, wie sehr sich städtische Ökosysteme von natürlichen Landschaften unterscheiden. Die Stadtflora lässt sich als Produkt unseres Handelns lesen. Jede Art zieht eine Spur, die nicht selten um den halben Globus reicht. Die Städte stellen Ansprüche an die Pflanzen, wie sie die mitteleuropäische Landschaft nie gefordert hat. Das Stadtklima ist wärmer als das der Umgebung, was Arten aus dem Süden begünstigt. Im Winter gibt es viele gut geschützte Winkel, an denen selbst subtropische Gewächse überdauern. Trockenheitsresistente Arten haben einen Vorteil, denn im Stadtraum sind die Böden selten tiefgründig. Entwässerung fasst das Regenwasser, nur wenig bleibt im Wurzelraum zurück. In der Stadt siedeln sich Gewächse an, die resistent sind gegen das Strassensalz und die mechanische Beanspruchung. Ihre ökologische Nische finden sie im menschengemachten Umfeld. Stadtpflanzen werden gedüngt durch den Hund, der Gassi geht, sie überleben die Belastung durch Schuhsohlen und auch mal die eines Autoreifens. Manche produzieren Samen, die den Fahrtwind der Autos und Züge nutzen. S...

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