Kurzes Beinevertreten zwischen stundenlangen Diskussionen. (Foto: Anna Raymann)

Das Gockhausen-Protokoll

Die Klimakrise wird uns noch Jahrzehnte begleiten. Nun hatte auch Hochparterre seinen Klimagipfel. Einen halben Tag zogen wir uns zurück und berieten, was wir tun.

Das Haus brennt. Und mittlerweile ist einige Bewegung im System, vom weltweiten Paris-Abkommen über den European Green Deal bis hin zur Gletscher-Initiative in der Schweiz. Das vom Weltklimarat errechnete Ziel: netto null Treibhausgasemissionen bis 2050. Das alles ist nicht neu. Auch Hochparterre hat schon manchen Nagel in Sachen Weltrettung eingeschlagen, von Benedikt Loderers Wettern gegen die Zersiedelung über Köbi Gantenbeins Kampf für die Landschaft bis hin zu Beiträgen über Wohnflächenverbrauch oder solares Bauen, Materialkreisläufe oder Unternehmensethik. Nachhaltigkeit ist uns kein Fremd- oder Gutmenschwort, sie gehört zu unserer DNA.

Und trotzdem: Das Klimajahr 2019 hat etwas verändert, auch bei uns. Manche Mitarbeiterinnen von Hochparterre fliegen noch immer in die Ferien, andere aber wurden Vegetarier und entdeckten den Geschmack von Hafermilch. Wir sind ein Spiegel der Gesellschaft – was auch heisst: Privates Handeln ist gut, geschäftliches und gesellschaftliches Handeln ist wirksamer.

Darum gingen wir für einen halben Tag an den Waldrand von Gockhausen bei Zürich. Zwischen Suppe und Kuchen debattierten wir, wie wir das ökologische Metathema weiterbehandeln, wie wir dabei klingen wollen und was wir, das KMU mit 22 Mitarbeitenden, selbst tun können. Der Umweltjournalist und -aktivist Marcel Hänggi begleitete uns dabei.

Das Ergebnis ist kein Manifest, aber ein schlankes Ideen- und Pflichtenheft. Gewonnen haben wir dabei viel an Erkenntnis und Motivation, den Weg weiterzugehen und manches anders zu machen. Hier das Protokoll einer redaktionellen und unternehmerischen Debatte, die gerade erst begonnen hat:

1. Systemwechsel
Artensterben und Plastik, Ressourcen und Soziales – alles hängt zusammen. Doch im Zentrum der Nachhaltigkeit steht das drängende und ungelöste Problem der Treibhausgase. Dabei heisst ‹netto null› nicht etwas besser, sondern radikal anders. Der Weltklimarat sagt, es braucht einen Systemwechsel beispiellosen Ausmasses.

2. Zukunftslust
Keine Panik! Viel ändern müssen heisst auch vieles besser machen können. Die Krise schafft neuen Raum für Fantasie und Utopien. Das treibt uns an. Wir wollen positive Geschichten schreiben. Geschichten über Tüftler, Träumerinnen, Querdenker. Über Vorbilder.

3. Querschnittsthema
In Hochparterre erscheinen Beiträge, die den Umgang mit der Klimakrise ins Zentrum stellen. Daneben aber sind Klima, Ökologie und Nachhaltigkeit Querschnittsthemen, die kein Beitrag unbegründet ausklammern soll.

4. Offenheit
Auf dem Weg in eine bessere Welt wollen wir soziale Fragen oder die Gestaltung nicht aus dem Blick verlieren. Gute Dinge sind gerecht, schön und nachhaltig. 

5. Klang
Moralisieren nervt, polarisieren schadet. Aber wie klingt ‹Schreiben in der Klimakrise› genau? Nicht hysterisch, aber dringlich. Auch ehrlich: Wir nennen die Dinge beim Namen. Der Klimawandel ist eine Klimakrise. Mobilität meint oft Verkehr statt Beweglichkeit. Aber klar: Wir erzählen weiterhin Geschichten, denn auch im Notstand braucht es Lust am Lesen.

6. Fragen
Suchen, fragen und offenlassen – das ist nötig und manchmal schwierig. Komplexität muss man aushalten. Niemand hat alle Antworten. Manche aber haben bessere: Experten geben uns die Fakten an die Hand, um selbst zu entscheiden. Wir lassen sie zu Wort kommen. Und übersetzen, wenn nötig.

7. Fordern
Zur journalistischen Arbeit gehört einzuordnen, zu werten, auch mal mahnend den Finger zu heben. Architekten und Designerinnen, Landschaftsarchitektinnen und Planer haben eine gesellschaftliche Verantwortung. Wir erinnern sie daran.

8. Gefässe
Wir werden neue Formate schaffen, online und im Heft. Darin stellen wir Fragen wie: Was tut euer letztes Projekt gegen die Klimakrise?

9. Kampagnen
Immer wieder stösst Hochparterre Kampagnen an: Gegen den Rosengartentunnel, die zweite Gotthardröhre oder den Abriss des Zürcher Kongresshauses. Gegen schlechte Dinge ergreifen wir auch weiterhin Partei. Und für gute.

10. Klimacheck
Wir machen Hochparterre klimafit. Der erste Entschluss: kein Fleisch mehr an unseren Apéros. Weitere werden folgen, denn die Analyse läuft: vom Pensionskassengeld bis zum Druckerpapier.

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Kommentare

Marc Angélil 28.04.2020 21:09
Second commentary: The expression 'house on fire' can also be found in Naomi Klein's previous book 'This Changes Everything: Capitalism vs. The Climate', published in 2015, and I wonder whether Greta Thunberg, who also used the expression, read the book at a very young age.
Marc Angélil 28.04.2020 17:23
Dear Hochparterre Team, I greatly enjoyed the engaged 'Pflichtenheft' of the 'Gockhausen-Protokoll' – congratulations! That said, the first sentense of the article seems to refer to Naomi Klein's new collection of essays entitled 'On Fire: The (Burning) Case for a New Green Deal' in which she writes: 'So why are we failing to act as if our house is on fire?' Greetings from the other side of the burning globe that seems to have become larger again since the outbreak of the pandemic. Wish you all the best, and stay healthy, Marc
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