Sujets Objets im Video.

Kollektiv ohne Grenzen

Das Architekturbüro «Sujets Objets» aus Genf experimentiert in vielen Dimensionen, von Kunst bis Konstruktion. Dabei überschreitet es die Ränder der Disziplin mit Lust.

Ein Durchbruch in der Decke öffnet den Raum zweigeschossig. Ein grüner Stahlträger überbrückt zwischen den alten Holzbalken. Darunter sitzen Charline Dayer, Thierry Buache, Dafni Retzepi und Philippe Buchs an einem runden Tisch. 2020 gründeten die vier das Büro Sujet Objet und bauten im Stadtzentrum von Genf eine Wohnung mit wenigen, aber markanten Eingriffen zu einem Loftatelier um. «Alles ist reversibel», erklärt Dafni Retzepi. «Die Balken haben wir eingelagert.»

Philippe Buchs, Dafni Retzepi, Charline Dayer und Thierry Buache sind «Sujets Objets».

Die Architektinnen und Architekten sind um die dreissig, ihr Studium an der EPF Lausanne und an der ETH Zürich liegt noch nicht lange zurück. Und dennoch sind sie schon viel herumgekommen. Buache hat in Mexiko gearbeitet, Dayer in Paris und Berlin, Retzepi doktoriert nebenbei in Bologna. Nicht nur die geografischen Grenzen sind fliessend, die vier spannen auch gerne mal mit einer Künstlerin oder einem Filmemacher zusammen. Oder sie entwerfen Ausstellungen und Installationen – etwa für die Triennale in Lissabon 2019, wo sie in einem Lift mit Spiegeln einen unendlichen Raum einrichteten. «Die Kunst befruchtet die Architektur», sagt Charline Dayer.

Für die Triennale in Lissabon 2019 haben die Architektinnen in einem Lift mit Spiegeln einen unendlichen Raum eingerichtet. (Foto: Rui Cardoso)

Der robuste Betonbau namens «Porteous» liegt direkt an der Rohne in Genf und wurde in den letzten Jahren besetzt. (Foto: Sujets Objets)

Derzeit wirkt das Kollektiv an einem Architekturprojekt mit offenem Rahmen und offenem Ausgang in Genf mit: In der Rhoneschlaufe, hinter der Siedlung Le Lignon, steht ein Klärwerk-Gebäude schon lange leer. Der Betonbau namens Porteous liegt am Fluss und war während der letzten Jahren besetzt. Der Kanton will das Gebäude nun zu einem Kulturzentrum transformieren. Mit einer Buvette möchte Sujets Objets den Prozess für die Verwandlung dieses Jahr anstossen. Was genau in den versprayten und vermüllten Räumen passieren soll, wird an öffentlichen Debatten vor Ort erörtert. «Mit einfachen Mitteln wollen wir einen öffentlichen Ort schaffen», sagt Thierry Buache. Architektur als transformative Akupunktur.
 

Sanft umgebaute Villa

Der Büroname Sujets Objets steht für eigenwillige Interventionen, verbunden mit einem Anspruch an Allgemeingültigkeit, denn Architektur ist eben doch nicht Kunst. Alle müssen sie verstehen können. Was diese Haltung bedeutet, lässt sich an einer Villa aus dem 19. Jahrhundert in der Stadt Genf ablesen, die das Kollektiv umgebaut hat. Das Haus stand leer und dient heute mit fünf Schlafzimmern als Wohnheim für Studierende. Das knappe Projektbudget beflügelte, statt zu hemmen. Sujets Objets renovierte das Gebäude sanft und setzte Akzente: Die Radiatoren leuchten rot, ein blaugrüner Deckenfries fasst das Wohnzimmer. Die vier sprechen von «Schlüsselmomenten». In manchen Räumen konservierten sie die Patina früherer Tage mit einem Schutzanstrich, der im unteren Teil der Wand einen Horizont ausbildet. Minimale Kosten, maximale Wirkung.

In einer umgebauten Villa in Genf, setzen die Architekten mit Farben Akzente. (Foto: Sujets Objets)

In manchen Räumen konservierten die Architektinnen die Patina früherer Tage mit einem Schutzanstrich, der im unteren Teil der Wand einen Horizont ausbildet.

Das Architekturbüro experimentiert in vielen Dimensionen, auch im grösseren Massstab. «Wir wollen uns nicht festlegen», sagt Philippe Buchs. 2020 gewann Sujets Objets den Wettbewerb für die Aufstockung der Kunsthochschule HEAD in Genf und setzte dem ehemaligen Industriegebäude eine gläserne Krone auf. Filigrane Metallprofile erinnern in der Fassade an die Zeiten vor Minergie. Rote Stahlträger überspannen den ganzen Raum, der frei möbliert werden kann. An einem Modell prüft Sujets Objects nun im Detail, wie die Haustechnik auf dem Dach in die Architektur integrieren werden kann. Egal, ob Kunst oder Konstruktion: Entscheidend ist die starke Haltung.

Die Architekten setzen dem ehemaligen Industriegebäude der Kunsthochschule HEAD in Genf eine gläserne Krone auf.

Rote Stahlträger überspannen den ganzen Raum, der frei möbliert werden kann.

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