What a clash! Betonbrutalismus, eine Piratenbootattrappe als Bar und plumper Pseudoklassizismus säumen das Ufer des Vardar in Skopje. Fotos: Susanne Hefti

Skopje als Palimpsest

Seit 2008 überschrieb eine neokonservative Regierung Mazedoniens sozialistische Vergangenheit mit Pseudoklassizismus. Ein Foto-, Theorie-, Polit-, Plauder- und Meckerbuch über die «Hauptstadt des Kitsch».

André Corboz schrieb anfangs der Achtziger über das Territorium als Palimpsest. In der Antike schabte man Manuskripte immer wieder ab und beschrieb sie neu. Ebenso zeigt der Raum Spuren seiner gesamten natürlichen und menschgemachten Geschichte. Skopje ist ein eindrückliches Beispiel dafür, denn 1963 wurde die mazedonische Hauptstadt von einem Erdbeben fast vollständig zerstört und anschliessend wieder aufgebaut, noch unter Tito – wobei der von internationalen Architekten wie Kenzo Tange konzipierte Plan selbst nur bruchstückhaft erkennbar ist. Skopje ist in jüngster Zeit ausserdem ein Beispiel für einen fragwürdigen Umgang mit Geschichte. Nachdem Mazedonien wirtschaftlich lange stagnierte, bei der EU erfolglos um Aufnahme ersuchte und sich zunehmend abwandte, baute die neokonservative Regierung die Stadt unter dem Namen ‹Skopje 2014› ein weiteres Mal um. Sich auf Alexander den Grossen berufend, wurde Geschichte konstruiert. Statuen und Brunnen, Museen, Verwaltungsgebäude und Kirchen entstanden. Ausserdem legten sich Dutzende neoklassische Fassaden vor die Zeitzeugen des Sozialismus. Die populistische Überschreibung und Instrumentalisierung der 2008 an- und 2017 abgetretenen Regierung kostete das Land geschätzt 680 Millionen Euro. Ein teurer Rückbau wäre die gleiche Idiotie. ###Media_2### Wie finden das eine Schweizer Fotografin (Susanne Hefti), ein aus Skopje stammender, an der ETH Zürich promovierter Architekturhistoriker (Damjan Kokalevski), sein Doktorvater (Philip Ursprung) sowie eine Kuratorin (Suzana Milevska) und eine Architekturaktivistin (Ivana Kostovska) aus Skopje? In einem diskurisven Spaziergang, der dem Buch ‹Skopje Walkie Talkie› seinen Namen gab und dessen Auftakt bildet, fallen Wörter wie lächerlich, unbeholfen, grotesk et cetera. Damit liegen die Spazierenden kaum falsch, denn es sind absurde Szenen, die der Fotoband zeigt: Disneyla...
Skopje als Palimpsest

Seit 2008 überschrieb eine neokonservative Regierung Mazedoniens sozialistische Vergangenheit mit Pseudoklassizismus. Ein Foto-, Theorie-, Polit-, Plauder- und Meckerbuch über die «Hauptstadt des Kitsch».

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