Des Kaninchens Shortlist #6: Felsenburg
Das Kaninchen, der Senn-Förderpreis für junge Architektur, zeichnet das beste Erstlingswerk des Jahres aus. In einer kleinen Serie präsentieren wir die sieben Projekte der engeren Wahl.
Am 3. Dezember feiert Hochparterre die ‹Besten› in Architektur, Design und Landschaft. Das ‹Kaninchen› ergänzt die traditionsreichen Hasen und prämiert ein realisiertes Erstlingswerk. Dieses Jahr gingen über dreissig Bewerbungen ein – vom kleinen Umbau bis zum Schulhaus-Neubau, vom privaten Auftrag bis zum gewonnenen Wettbewerb. In einer kleinen Serie zeigen wir die sieben Projekte, die in einer ersten Juryrunde auf die Shortlist gewählt wurden.
Des Kaninchens Shortlist #6:
Felsenburg, Biel/Bienne
Architektur: Sara Gelibter architecte, Biel/Bienne
Die Architekt:innen schreiben:
«Ein neues Dach zeichnet über dem historischen Stadtzentrum von Biel eine elegante Silhouette an den Horizont. Dieses lange, schmale Volumen, das aussen mit gewellten Faserzementplatten verkleidet ist und dessen Holzkonstruktion an den kurzen Stirnfassaden sichtbar werden, krönt das als Felsenburg bekannte historische Haus.
Der Kern des Gebäudes wurde wahrscheinlich um 1860 als Wirtschaftsgebäude für die damaligen Weinberge des Beaumont-Viertels errichtet. Später wurde das einstöckige Hauptgebäude um ein Stockwerk aufgestockt und für die Metallverzinkungsindustrie umgebaut. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Hauptgebäude erneut um einen zweistöckigen Anbau erweitert, in dem die Büros der Fabrik untergebracht waren. In den 1960er Jahren wurde die Felsenburg zu einer Jugendherberge, in den 1980er Jahren schliesslich zu einem Einfamilienhaus umgebaut.
Eine dringende Dachsanierung stand am Anfang des Projekts. Die neuen Eigentümer wollten die Chance nutzen, das ganze Dachgeschoss neu zu denken. Dank der Möglichkeit, die Fassade zu erhöhen, konnten im Dachgeschoss neue Wohnräume und inspirierende Arbeitsräume geschaffen werden.
Das neue Volumen ist das Ergebnis mehrerer sich überschneidender geometrischer Flächen. Die geschlossene Nordseite schützt den Innenraum vor dem Bahnlärm. Die Südseite ist ebenfalls monolithisch, um die Installation von PV-Modulen zu ermöglichen. Die Ost- und Westseite hingegen sind vollständig zur Landschaft hin geöffnet und lassen das Tageslicht in den Innenraum strömen; die vertikalen Lärchenholzlatten verleihen dem Volumen eine taktile Dimension.
Das Projekt zeichnet sich durch seinen ökonomischen und ökologischen Ansatz aus. Ein begrenztes Budget sowie die Sensibilität für Fragen der Nachhaltigkeit, veranlassten Bauherrschaft und Architektin, nach unkonventionellen Lösungen zu suchen. Die erste wichtige Entscheidung bestand darin, die Arbeit der Architekten und der professionellen Bauunternehmer auf die Gestaltung des ersten Stockwerks und des Dachgeschosses zu konzentrieren, während der Umbau des Erdgeschoss in kompletter Eigenregie der Eigentümer ausgeführt wurde. Bald wurde das Erdgeschoss zu einer Familienangelegenheit: Nicht nur die Eigentümer suchten wiederverwerteten Materialien und preisgünstigen Produkten, sondern die ganze Familie – Väter, Mütter und Geschwister - beteiligte sich an den anstehenden Aufgaben. Dieser Modus Operandi hat nicht nur die Kosten für die Renovierung des Erdgeschosses minimiert, sondern zweifellos auch zu einem Gefühl des gemeinsamen Engagements und zu einem seltenen Geist der Teamarbeit und Widerstandsfähigkeit beigetragen.
Auch die Dachkonstruktion ist ein Low-Budget- und Low-Tech-Projekt, das ebenso aus Notwendigkeit wie aus Leidenschaft enstanden ist. Die Felsenburg verbindet zeitgemässe Innovation mit dem Respekt gegenüber der historischen Erbe und zeigt, wie Architektur Zwänge in kreative Möglichkeiten verwandeln kann.»
Felsenburg, Biel
Architektur und Bauleitung: Sara Gelibter architecte
Holzbau-Ingenieur: Wibois Sàrl
Ingenieur: Schmid und Plätscher
Holzbauer: JK Charpente
Die Kaninchen-Jury
Franziska Schneider, Schneider Studer Primas Architekten, Zürich
Martin Hofer, Immobilienexperte und Architekt, Gockhausen
Baseli Candrian, Architekt, Zürich
Norma Tollmann, Architektin, Basel (Gewinner 2023)
Marcel Bächtiger, Redaktor Hochparterre (Leitung)
Preisverleihung der ‹Besten›
Die Hasen in Gold, Silber, Bronze, ein Kaninchen und drei Publikumspreise werden überreicht am Dienstag, 3. Dezember 2024, im Museum für Gestaltung Zürich, Ausstellungsstrasse 60, Zürich. 19 Uhr. Zur Anmeldung geht es hier.
Die Dezemberausgabe von Hochparterre stellt die prämierten Projekte vor. Jurorinnen- und Gewinnerstimmen gibt es auf www.hochparterre.ch/diebesten.