Lilian Demuth, Sandra Hagenmüller und Andreas Lamprecht in ihrem Büro in Zürich. (Foto: Desirée Good) Fotos: Andreas Buschmann

Raumfalten und Rasterkleid

Geschickt verwandeln Demuth Hagenmüller & Lamprecht einen Siebzigerjahre-Bürobau in ein apartes Wohnhaus. Und das Zürcher Architektentrio gewinnt Wettbewerbe.


Geschickt verwandeln Demuth Hagenmüller & Lamprecht einen Siebzigerjahre-Bürobau in ein apartes Wohnhaus. Und das Zürcher Architektentrio gewinnt Wettbewerbe.
 

«Geradeaus», ruft Sandra Hagenmüller ihrem Büropartner Andreas Lamprecht zu. Nachdem sie und Lilian Demuth 2012 an der Zürcher Zentralstrasse einen Wettbewerb gewonnen hatten, war er als Projektleiter an Bord gekommen. Seit 2014 firmiert das Trio fast wie ein deutscher Expresslieferant: DH & L Architekten. So gehen wir also geradeaus. Durch eine dreieinhalb Meter hohe Enfilade im ehemaligen Arbeitsamt der Stadt Zürich, die sich mehrere Architekturbüros und eine Schneiderin teilen. Ein vertrautes Bild: Bücher auf halbhohen Regalen, Tische mit iMacs und Modellen, Pläne an den Wänden.
 

Die Šik- und Kollhoff-Diplomanden sammelten Berufserfahrung bei Darlington Meier und Knapkiewicz Fickert. Seither bestreiten sie jährlich etwa vier Wettbewerbe, wobei jeweils zwei entwerfen und einer aus kritischer Distanz berät. Ende Juni errangen DH & L den zweiten Platz unter 118 Teilnehmern beim Wettbewerb für die städtische Wohnsiedlung Hardau I. Es wäre der zweite Grosserfolg gewesen: 2013 hatten sie in Regensdorf einen Wettbewerb für mehr als 300 Wohnungen gewonnen, waren auf zehn Köpfe angewachsen und mussten das fertige Bauprojekt dann zur Ausführung abgeben. Nun haben sie nur noch zwei Mitarbeitende, doch ungebrochen gut gelaunt erklären sie ihre aktuellen Projekte und Wettbewerbsbeiträge.
 

Angepasster Sonderling
 

Der Erstling der drei steht in Zürich-Wiedikon. Schon immer war der Bürobau aus den Siebzigern ein Sonderling im gründerzeitlichen Wohnquartier. Heute hat er sich dezent angepasst. Statt schweinchenrosa Brüstungsbändern trägt er ein Kleid aus dünnen, mit Glasfasern armierten Betonelementen. Sie zeichnen den Rhythmus des Stützen-Platten-Baus dahinter nach. Sockel, Gesimsgurte und Dachabschluss sprechen mit den Nachbarn. Vertikale Rillen beleben die Oberfläche. An den Türen sagen auberginefarbene Metallgriffe in Schleifenform: Herein!
 

Innen haben die Architekten den Rohbau mit neuen Leichtbauwänden gefüllt. «Eine grundsolide Struktur zum Reinplanen», sagt Andreas Lamprecht, «bloss war das Stützenraster von fünf Metern entweder zu gross oder zu klein.» Geschickt umspielt nun ein netzartiger Grundriss das starre Achsmass, weitet und verengt die Räume. Im Kopfbau liegen Gewerbeflächen im Erdgeschoss, darüber je vier 2½-Zimmer-Wohnungen pro Stockwerk. Die Wandschrägen aufnehmend stülpen sich die Wohnzimmer in den Strassenraum.
 

Die Knacknuss war der konische Längsbau mit bis zu 26 Metern Bautiefe. An seiner Taille liegen zuunterst miteinander verschränkte Maisonette-Wohnungen. Dadurch entstehen keine reinen Hochparterre-Wohnungen, und jede hat sowohl Anteil am Hof- als auch am Strassenraum. «An der tiefsten Stelle konnten wir Raum verschenken», sagt Lilian Demuth unter dem in die Struktur geschnittenen Lichtkörper, der die durchgesteckten 4½-Zimmer-Wohnungen mit Ob- und Seitenlicht versorgt. Trotzdem blieb reichlich Platz für Ankleiden, Reduits und Bäder. An bester Zürcher Lage verkaufen sich solche Eigentumswohnungen für mehr als zwei Millionen Franken.
 

Weil die Kleinwohnungen im Kopfbau keine Loggien haben, gibt es zuoberst eine gemeinschaftliche Dachterrasse. Sie überdeckt die Haustechnikaufbauten und bietet nebst offenen Flächen auch Nischen rund um den Lichtkörper, der hier das Dach durchstösst. Weil sich die Bewohner nicht auf Möbel einigen können, steht sie nach einem Jahr noch immer leer. Mehr als Angebote machen kann auch gute Architektur nicht.
 

In der Rubrik ‹Wilde Karte› präsentieren Hochparterre und Velux jedes Jahr vier ausgewählte Architekturbüros, deren Gründer unter 40 sind. Am 25. Oktober wetteifern die vier Büros im Zürcher Architekturzentrum um einen Platz bei einem eingeladenen Architekturwettbewerb.

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