Ist-Zustand und Projektvisualisierung des Schaffhauser Stadtgevierts

Was, wenn...?

Schaffhausen hat der Entwicklung des Stadthausgevierts zugestimmt. Mit dem Verzicht auf einen Wettbewerb wurde jedoch die Chance vertan, bessere Lösungen zu prüfen. Ein Gastkommentar von Hans-Georg Bächtold.

Die Stimmbevölkerung der Stadt Schaffhausen hat Ja gesagt zum Stadthausgeviert. Damit bekommt die Stadt ein attraktives Zentrum, kann endlich die Liegenschaften sanieren und die Verwaltung konzentrieren. Das ist dringend notwendig. Die Innenentwicklung der Stadt Schaffhausen schreitet voran. Gut so.

Als Ingenieur und Planer* freut mich das Ergebnis. Der dafür eingeschlagene Planungsprozess für dieses wichtige Projekt überzeugt mich nicht. Was wäre, wenn das Volk anders entschieden hätte? Das Ergebnis wird in den Medien als knapp beurteilt. Wurde die beste Lösung vorgeschlagen?
Die zielführendsten Ideen für eine städtebauliche Entwicklung gewinnt man mit einer Konkurrenz der Ideen. Die Beurteilung einer Auswahl von Entwürfen bietet die Möglichkeit, Vorteile und Schwachstellen eines Projektes zu beurteilen und die besten Ansätze auszuwählen und umzusetzen. Das wusste schon Goethe:

Der Gedanke, das Entwerfen,
Die Gestalten, ihr Bezug,
Eines wird das andre schärfen, Und am Ende sei’s genug! 
(Auszug aus Goethes Künstlerlied)

«Wichtig für den Planungsprozess ist daher in erster Linie die Evaluation von verschiedenen Lösungsansätzen, um das nach gestalterischen, funktionalen, ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten beste Ergebnis für eine bestimmte Aufgabe zu ermitteln. Der Wettbewerb hat sich dafür als das geeignete Verfahren etabliert und ist seit Jahrzehnten bewährt. Der offene Wettbewerb ist ein prägendes Merkmal der freien Marktwirtschaft. Er ist Motor des Fortschritts und steht für Qualität wie auch für Innovation. Mit dem Architektur- oder dem Städtebauwettbewerb erhalten Auslober eine reiche Auswahl von unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten. Teilnehmende stellen dafür ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Kreativität zur Verfügung. Zusammen leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Förderung einer lebendigen Baukultur.» (Jean-Pierre Wymann, "Der Architekturwettbewerb" in Modulor Magazin 05/2011) 

1877 stellt der SIA erstmals eine Wettbewerbsordnung auf. Das Prinzip des Wettbewerbs ist bis heute in den Grundzügen identisch geblieben. Seit 2018 gibt es auch eine Wegleitung zur Testplanung. Diese Instrumente beantworten die Frage: Was, wenn...? Sie nehmen uns den anschliessenden Weg durchs Nadelöhr der Politik nicht ab, aber sie liefern vorab Antworten auf viele Fragen. 

Ein solches «Varianzverfahren» wurde von den Fachleuten für diesen sensiblen Ort – für das Stadthausgeviert – nicht gewählt. Das ist schade. Nun wissen wir nicht, ob es noch bessere, günstigere und überzeugendere bauliche Möglichkeiten gegeben hätte. Die von der Stadt Schaffhausen gewählte Kombination Machbarkeitsstudie und Planerwahlverfahren erfüllte m.E. die genannten Anforderungen nicht.

Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zu Rande. (Goethe)

Dass die Politik in der Schlussrunde vor der Abstimmung noch architektonische Mängel, wie z.B. die Dachform kritisiert und dass darauf eine nochmalige Überprüfung versprochen wird, ist für einen Planer eine Niederlage, ein Irrweg. Ingenieure und Architektinnen, Baufachleute haben im Planungsprozess ausgereifte Lösungen zu entwerfen und diese im Entscheidungsprozess mit überzeugenden Argumenten zu vertreten. Das ist zielführende Politikberatung. Bei einem gut evaluierten Projekt müssten solche zentralen Fragen in einem wichtigen städtischen Umfeld zu diesem Zeitpunkt klar beantwortet werden können und nicht auf die Umsetzung verschoben werden. Solche Vorfälle und die getroffenen Lösungen schaffen Präzedenzen für die nächsten Umbauten und Baubewilligungen. Das Haus Eckstein wird zum Stein des Anstosses.

Aus meiner Sicht hat man nun ein Ergebnis für die Weiterarbeit, aber auch die Chance vertan, bessere Lösungen zu prüfen. Es fehlt die Sicherheit, für dieses zentrale, schützenswerte Stadtgebiet die richtige Wahl für die bauliche Entwicklung getroffen zu haben. Die Fachleute der städtischen Verwaltung haben bei ihrer Verantwortung, die politischen Vorgesetzten zu beraten, m. E. nicht alle Risiken abgeschätzt. Zu wünschen ist, dass bei den anstehenden Planungsaufgaben in der Stadt und im Kanton, mit Blick auf eine hochwertige Baukultur grosse Sorgfalt bei der Wahl des Verfahrens – beim ersten Knopf – eingesetzt wird, dieses Vorgehen auch von der Politik eingefordert wird und die landesweiten Erfahrungen bei solchen Vorhaben berücksichtigt werden.

Zum Schluss nochmals Goethe: Man mag doch immer Fehler begehen, bauen darf man keine.

*Hans-Georg Bächtold war von 1998 bis 2008 Kantonsplaner des Kantons-Basellandschaft und bis 2018 Geschäftsführer des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA

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Kommentare

Fred 27.02.2021 12:39
Vielen Dank für den guten Kommentar, Herr Bächtold. Leider wundert mich das Vorgehen in Schaffhausen nicht. Es ist einfach nur schade, dass das Dach des Hauses Eckstein mit den schönen Gauben durch die Aufstockung und die neue, absolut unpassende Dachform verschandet wird. Hat hier die Denkmalpflege geschlafen oder was lief schief in der schaffhauser Politik? Ein Varianzverfahren, wie es in vielen Städten üblich ist, hätte bestimmt zu einer besseren Lösung in der schützenswerten Altstadt geführt.
Abel K. 03.12.2019 13:30
Hätte, hätte, Kettensäge. Modell, Pläne und Visualisierung überzeugen. Wo genau ist jetzt das Problem, Herr Bächtold?!
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