Rege besucht, viel diskutiert: das «Wettbewerbsquartett» im Kulturpark in Zürich-West

Die unliebsame Wiederkehr der Stilfragen

Letzten Dienstag tagte das Wettbewerbsqusartett. Zu Gast war die Architektin Lisa Ehrensperger, und zur Debatte stand eine alte unbequeme Frage: In welchem Style sollen wir bauen?

«Es gibt den Stil, und es gibt die Stile», schrieb Viollet-le-Duc. Mit letzterem meinte er die Charakteristiken von Epochen und Schulen, mit ersterem, so die etwas kryptische Definition, das «Hervortreten eines Ideals auf Grundlage eines Prinzips». Grundlegender als diese Unterscheidung scheint jedoch, so zeigte uns das letzte Wettbewerbsquartett, diejenige von Form und Inhalt. Die Moral gibt dabei gerne dem Inhalt den Vorzug, während sie die Form als Äusserlichkeit, ja als Täuschung skeptisch beäugt.

Das eine ist jedoch nicht ohne das andere zu haben, wie Podiumsteilnehmer und Publikum an der rege besuchten Veranstaltung im Kulturpark in Zürich-West feststellen mussten – schon gar nicht in der Architektur.

Offensichtlich wurde dies anhand von zwei rege diskutierten Wettbewerbsresultaten: einem genossenschaftlichen Ersatzneubau an der Goldbrunnenstrasse in Zürich Wiedikon, den Zimmermann Sutter Architekten mit einem historisierenden Entwurf gewonnen hatten, sowie der Zentrumsentwicklung Hombrechtikon, wo in der Endrunde ein recht modernistischer Sichtbetonbau (Hauenstein LaRoche Schedler Architekten) einer recht analogen Holzgiebelarchitektur (raumfindung architekten) gegenüber stand (es gewann der Sichtbeton, mehr dazu im nächsten hochparterre.wettbewerbe 3/2019). Zündstoff barg dabei nicht nur die Frage nach der baulichen Identität einer typischen Land-Stadt-Gemeinde wie Hombrechtikon, sondern auch der Bericht des Jurypräsidenten und festen Wettbewerbsquartett-Teilnehmers Peter Ess, wonach inhaltlich beide Projekte denkbar gewesen wären und man deshalb aufgrund der besser passenden äusseren Erscheinung habe entscheiden müssen. Nur: Kann man über Stile überhaupt fundiert urteilen? Das Publikum formulierte Unbehagen. Dabei brachten die unliebsamen Stilfragen über Umwege vielleicht nur zur Sprache, worüber man nicht gerne spricht: dass es in der hiesigen Architektur bei aller handwerklichen und technischen Qualität vor allem viele Stile gibt, aber nicht zwingend viel Stil.

Einen dritten Wettbewerb brachte Lisa Ehrensperger, die neben Peter Ess, Pascale Guignard und Hochparterre-Redaktor Ivo Bösch als Gast aufs Podium geladen war, in die Diskussion ein: der Um- und Neubau des Regionalen Pflegezentrums Badens, gewonnen von Graber Pulver Architekten. Entscheidend, so Ehrensperger, sei hier in erster Priorität die Bewältigung eines bis ins Detail ausformulierten Programms gewesen, das sage und schreibe «zwei dicke Bücher» umfasste. Versuche, ein dermassen komplexes Programm in eine städtebaulich motivierte a-priori-Form einzupassen, waren zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. Graber Pulver hingegen gelang nach Ansicht der Kritikerrunde das Kunststück, aus einer erst einmal funktionalen Auslegeordnung räumliche und architektonische Qualitäten zu entwickeln. Das nennt man dann wohl Inhalt.

 

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